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2020 | Buch

Verhaltenstherapiemanual: Kinder und Jugendliche

herausgegeben von: Prof. Dr. Manfred Döpfner, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Michael Linden

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Buch ist geschrieben für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater, in der Beratung und klinisch tätige Psychologen, Schulpsychologen, Psychologische Psychotherapeuten, Ärztliche Psychotherapeuten, Psychiater sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologische und ärztliche Psychotherapeuten in Aus- und Weiterbildung. Bewährt für den Einstieg, als Nachschlagewerk, für die Supervision und Qualitätssicherung in der Verhaltenstherapie.

In diesem Buch finden sich mit Blick auf die Praxis (1) allgemeine Grundlagen verhaltenstherapeutischen Arbeitens, (2) eine konkrete Beschreibung von verhaltenstherapeutischen Techniken, Einzelverfahren und Methoden, (3) störungsspezifische Behandlungspläne. Praxisnäher geht es nicht!

Aus dem Inhalt:

Psycho- und verhaltenstherapeutische Methoden – Einzel- und Gruppentherapieprogramme – Behandlungsanleitungen für psychische und psychosomatische Störungen – Mit einheitlichem Kapitelaufbau – Indikationsstellung, technisches Vorgehen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen, weiterführende Literatur.

Die Herausgeber:

Univ.-Prof. Dr. sc. hum. Dipl. Psych. Manfred Döpfner, Leitender Psychologe an der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Uniklinik Köln. Prof. Martin Hautzinger, Ordinarius für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Eberhard Karls Universität Tübingen. Prof. Michael Linden, Medizinische Klinik m.S. Psychosomatik der Charité Universitätsmedizin Berlin und Institut für Verhaltenstherapie Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Grundlagen

Frontmatter
Kapitel 1. Multimodale Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Die multimodale Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie baut wesentlich auf empirisch bewährten verhaltenstherapeutischen Prinzipien auf und kann als eine problemorientierte, modulare, individualisierte, adaptive und ergebnisorientierte Therapie charakterisiert werden, die auf der Grundlage allgemeiner Wirkprinzipien evidenzbasierte Interventionsmethoden anwendet, dabei den spezifischen Kontext berücksichtigt, in dem die Probleme auftreten, und mehrere Interventionsebenen integriert. Die Psychotherapieforschung bei Kindern und Jugendlichen in den letzten fünf Dekaden konnte für die Mehrzahl der psychischen Störungen zumindest kleine bis moderate Therapieeffekte belegen, die sich zudem in Nachuntersuchungen überwiegend als stabil erwiesen haben und die vergleichbar zu den in der Erwachsenenpsychotherapie gefundenen Effekten sind.
Manfred Döpfner
Kapitel 2. Diagnostik psychischer Störungen
Zusammenfassung
Die Diagnostik psychischer Störungen umfasst im Kern eine differenzierte Erhebung der psychischen Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen auf der Ebene des Denkens, der Affekte und des Verhaltens sowie die Erfassung der körperlichen, individuellen und psychosozialen Bedingungen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der psychischen Auffälligkeiten beitragen. Dabei sind die Perspektiven des Kindes oder Jugendlichen selbst sowie die seiner wichtigen Bezugspersonen (Eltern, Erzieher, Lehrer) zu beachten. Die klinische Exploration des Patienten und seiner Bezugspersonen stellt die Basis der Diagnostik dar. Explorationsschemata, Checklisten und Interviewverfahren können dabei als Hilfsmittel u. a. für die kategoriale Diagnostik eingesetzt werden. Ergänzt wird die Diagnostik vor allem durch störungsübergreifende oder störungsspezifische Fragebogenverfahren sowie durch Verhaltensbeobachtung. Die Integration der diagnostischen Ergebnisse mündet in einer dimensionalen Beschreibung der psychischen Störungen, der durch sie ausgelösten Funktionseinschränkungen, der Kompetenzen, der kognitiven Defizite und Fähigkeiten sowie der psychosozialen Bedingungen. Diagnostik bildet auch die Grundlage für Verlaufs- und Erfolgsbeurteilungen.
Manfred Döpfner, Anja Görtz-Dorten
Kapitel 3. Intelligenz-, Entwicklungs- und Leistungsdiagnostik bei Kindern
Zusammenfassung
Die Anwendung von Leistungstests im klinischen Kontext stellt besondere Anforderungen an die Testgüte und bei sehr jungen Kindern auch an den Untersucher. Testverfahren, die über die klassischen Gütekriterien hinaus auch die klinischen Erfordernisse erfüllen, werden im Folgenden zur Diagnostik von Störungen auf den Achsen II und III des Multiaxialen Klassifikationsschemas für verschiedene Altersgruppen vorgestellt.
Günter Esser
Kapitel 4. Diagnostik des psychosozialen Lebensumfeldes
Zusammenfassung
Die Grundlage der Diagnostik des psychosozialen Lebensumfeldes ist die klinische Exploration des Patienten und seiner Bezugspersonen (vor allem Eltern, Erzieher, Lehrer) zu den aktuellen Umfeldbedingungen, die möglicherweise einen Einfluss auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung der psychischen Störung des Patienten haben. Das wichtigste psychosoziale Umfeld ist in der Regel die Familie. Familiendiagnostische Fragbogen-, Test- und Beobachtungsverfahren können eingesetzt werden, um familiäre Bedingungen und Beziehungen aus der Perspektive der einzelnen Familienmitglieder zu erfassen. Einige familiendiagnostische Fragebogen- und Testverfahren liegen als evidenzbasierte, reliable, valide und normierte Instrumente vor, die sich in der klinischen Praxis gut einsetzen lassen und die auch zusammen mit den klinischen Explorationen und den Interaktionsbeobachtungen zunehmend in der Routineversorgung angewendet werden.
Stephanie Schürmann, Manfred Döpfner
Kapitel 5. Strukturierung des Therapieablaufs
Zusammenfassung
Eine Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie kann in sieben Phasen unterteilt werden: 1) Beziehungsaufbau, 2) Motivationsaufbau, 3) differenzierte Diagnostik, 4) Zielklärung, 5) Intervention, 6) Evaluation und 7) Abschluss, wobei dies ein rekursiver Prozess ist, in dem auch fließende Übergänge möglich sind. Diese Phasen sind sowohl in der Arbeit mit dem Patienten als auch in der Arbeit mit den Bezugspersonen (Eltern, Erzieher, Lehrer) zu berücksichtigen. Die einzelnen Therapiesitzungen können mit dem Patienten alleine, gemeinsam mit Patienten und Bezugsperson (meist zumindest ein Elternteil) oder mit der Bezugsperson alleine durchgeführt werden.
Michael Borg-Laufs, Manfred Döpfner
Kapitel 6. Therapeutische Beziehung
Zusammenfassung
Eine stabile und tragfähige Beziehung zwischen Patienten, Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen einerseits und dem Therapeuten andererseits stellt die Basis der gesamten Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie dar und ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Die therapeutische Beziehung lässt sich konzeptionell Aufteilen in eine persönliche Beziehung und eine Arbeitsbeziehung, welche im Wesentlichen durch eine Übereinkunft hinsichtlich der Ziele und Aufgaben der Behandlung definiert ist. Die Methoden zum Aufbau und zur Stärkung einer therapeutischen Beziehung zielen beim Erstkontakt und in der Eingangsphase schwerpunktmäßig auf den Aufbau einer persönlichen Beziehung und in den darauffolgenden Phasen der differenzierten Diagnostik und Verhaltensanalyse, der Zieldefinition und Therapieplanung vor allem auf die Entwicklung einer Arbeitsbeziehung, in denen Therapieziele und Therapieaufgaben in den Blick genommen werden. In der Phase der Durchführung von Interventionen ist die Arbeitsbeziehung von entscheidender Bedeutung. Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung sind häufig und bedürfen einer besonderen Beachtung. Sie können bewältigt werden, wenn die jeweils spezifischen Ursachen erkannt und bearbeitet werden.
Manfred Döpfner, Michael Borg-Laufs
Kapitel 7. Nebenwirkungen und Nebenwirkungserfassung in der Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie
Zusammenfassung
Nebenwirkungen sind weitgehend unvermeidliche negative Begleitwirkungen einer gut durchgeführten Therapie. Sie zu kennen und fachgerecht darauf zu reagieren ist wichtig für die Patientensicherheit und die Behandlungsoptimierung. Es werden die Arten und Entstehungsbedingungen von Psychotherapienebenwirkungen dargestellt.
Michael Linden, Manfred Döpfner
Kapitel 8. Kultursensitive Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zusammenfassung
Kultursensitivität in diesem Kapitel wird beschrieben als: Wissen um den eigenen und ggfs. methodischen Kulturbias, Offenheit, forschende Neugier, Bewusstheit um Kompromissbildungen entgegen Stereotypisierungen. Zu beachten sind vor der Behandlung mögliche abweichende Indikationen, kulturspezifische Syndrome, die Relativierung diagnostischer Schwellen, die seltene Normierung von Diagnostikinstrumenten in Herkunfts- und Migrantenpopulation. Für die Behandlung sind unter anderem ein fachkundiger Umgang mit Sprach- und Kulturmittlern, höheren Schamgrenzen, kollektivistischen Orientierungen und individuell modifizierten Therapiezielen bedeutsam.
Renate Schepker, Nicole Corpus

Techniken

Frontmatter
Kapitel 9. Aktivitätsaufbau
Zusammenfassung
Aktivitätsaufbau meint die Aktivierung, den Aufbau von Aktivitäten zur Anreicherung (Balance) des Alltags mit verstärkungsreichen Erfahrungen und den Abbau von Vermeideverhalten. Bei Störungen mit Inaktivität, motivationalen Defiziten und Antriebsproblemen wird Aktivierung alleine oder in Kombination mit anderen Methoden angewandt. Neben Psychoedukation und Vermittlung des Behandlungsrationals sind die Erstellung einer Baseline, Aktivitätenbeobachtung und Aktivitätenplanung zentrale Elemente. Aktivitätsaufbau hat sich in Metaanalysen vor allem in der Behandlung von Depressionen als wirksam erwiesen.
Ulrike Abel
Kapitel 10. Apparative Therapie der Enuresis
Zusammenfassung
Enuresis nocturna bezeichnet jedes intermittierende Einnässen im Schlaf. Nach Standardurotherapie und Kalenderführung ist die apparative Verhaltenstherapie (AVT) Mittel der ersten Wahl. Tragbare, Funk- und Bettgeräte sind gleich wirksam. Bei der AVT handelt es sich um eine operante Konditionierung. Sie erfordert Motivation und Mitarbeit von Kind und Eltern und sollte so lange durchgeführt werden, bis 14 konsekutive trockene Nächte erreicht werden. Eine maximale Dauer von 16–20 Wochen kann erforderlich sein. Falls notwendig, können zusätzlich einfache Verstärkerpläne eingesetzt werden. Etwa 70 % der Kinder sind nach der Behandlung trocken, 50 % bleiben langfristig kontinent. Die AVT sollte deshalb in allen Behandlungssettings als bevorzugte Therapie angeboten werden.
Alexander von Gontard
Kapitel 11. Neurofeedback
Zusammenfassung
Neurofeedback zielt über die entwicklungsgerechte Rückmeldung von EEG-Signalen auf eine verbesserte Selbstregulation. Das Training basiert auf Prinzipien der Lerntheorie und umfasst auch Transferübungen zum Übertragen des Erlernten in den Alltag. Am weitesten verbreitet und am besten empirisch abgesichert ist die Anwendung von Neurofeedback als Baustein im Rahmen einer multimodalen Behandlung der ADHS. Neurofeedback soll nur mittels gut untersuchter Protokolle trainiert werden; dies sind insbesondere das Theta-Beta-Feedback und das Feedback der langsamen Potenziale.
Martin Holtmann, Tanja Legenbauer
Kapitel 12. Urotherapie bei funktioneller Harninkontinenz tagsüber
Zusammenfassung
Urotherapie ist der Sammelbegriff für alle konservativen, nicht-chirurgischen und nicht-pharmakologischen Behandlungsverfahren bei Funktionsstörungen des unteren Harntrakts. Es wird zwischen einer Standard- und einer speziellen Urotherapie unterschieden. Die Standardurotherapie ist Mittel der ersten Wahl für die Behandlung der funktionellen Harninkontinenz tagsüber. Neben allgemeinen Prinzipien der Informationsvermittlung, Beratung, Motivationssteigerung, Änderung des Trink- und Miktionsverhaltens, Dokumentation und Begleitung gibt es für alle Subtypen der Harninkontinenz spezifische therapeutische Zugänge, die eine gesonderte Indikation erfordern. Die Urotherapie integriert viele Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie und ist hoch wirksam.
Alexander von Gontard
Kapitel 13. Empathie und Mitgefühl
Zusammenfassung
Das hier vorgestellte Kapitel beinhaltet eine Konzeptualisierung der Begriffe Empathie und Mitgefühl. Im Fokus steht die Bedeutung von Empathie und Mitgefühl im therapeutischen Kontext, die besonders im Konzept des empathischen Verstehens der personzentrierten Psychotherapie nach Rogers verwurzelt ist und neben der Haltung des Therapeuten und der Beziehungsgestaltung auch Gesprächsführungstechniken wie das Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte (VEE) umfasst. Darüber hinaus werden Ansatzpunkte für eine explizite Förderung von Empathie und Mitgefühl im therapeutischen und präventiven Setting beschrieben.
Hanna Meyer, Charlotte Hanisch
Kapitel 14. Emotionsregulationstraining
Zusammenfassung
Emotionsregulationstrainings sollen Kindern und Jugendlichen helfen, eigene Emotionen besser zu erkennen und zu regulieren. In der Regel fokussieren diese Trainings auf überschießende Emotionen wie Aggression, Wut und Ärger sowie Traurigkeit; sie können sich aber auch auf andere Gefühle wie Angst oder Schuldgefühle beziehen. Die Betroffenen lernen, Situationen und eigene Kognitionen als Auslöser zu identifizieren und verschiedene Strategien zur Emotionsregulation in der Therapie zu erlernen, um diese dann im Alltag in kritischen Situationen einzusetzen. Der Indikationsbereich solcher Trainings ist sehr breit und störungsübergreifend.
Anja Görtz-Dorten
Kapitel 15. Entspannungsverfahren und Achtsamkeit
Zusammenfassung
Entspannungstechniken sind meist Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche, um die mit den emotionalen und Verhaltensstörungen verbundene Anspannung zu reduzieren. Auch Achtsamkeitstechniken haben in die Kinder- und Jugendtherapie Eingang gefunden. Die verwendeten Entspannungstechniken sollten entsprechend dem Alter angepasst sein. Mittels solcher altersadäquaten Techniken können Gedanken, Gefühle und Verhaltensabläufe verändert sowie neue Ressourcen für das Kind bzw. den Jugendlichen geschaffen werden. Auch nimmt die allgemeine Anspannung durch die Einübung eines solchen Verfahrens ab. Hier werden daher die Einsatzmöglichkeiten und entwicklungspsychologischen Besonderheiten für die Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen mit Kindern und Jugendlichen thematisiert und alterstypische Besonderheiten vorgestellt.
Angelika A. Schlarb
Kapitel 16. Exposition und Konfrontation
Zusammenfassung
Exposition bzw. Konfrontation ist eine der effektivsten verhaltenstherapeutischen Techniken in der Behandlung von Angst-, Zwangs-, Traumafolge-, aber auch Ess- und Suchterkrankungen. Die Patienten werden dabei angeleitet, sich systematisch und wiederholt genau jenen Situationen oder Reizen auszusetzen, die ihnen große Angst bereiten oder Ekel auslösen. Neben der Habituation als klassischem Erklärungsmodell finden zunehmend Modelle der Extinktion Beachtung, die auf den Erkenntnissen der Lerntheorien aufbauen. Expositions- und Konfrontationsübungen sollten demnach rechtzeitig geplant werden und in zeitlich kurzen Abständen mehrfach wiederholt und vertieft werden, um eine Wiederkehr der Angst zu vermeiden.
Hendrik Büch
Kapitel 17. Therapieaufgaben
Zusammenfassung
Therapeutische Hausaufgaben, kurz Therapieaufgaben, sind alle Aktivitäten, die mit dem Patienten oder seinen Bezugspersonen (Eltern, Erzieher, Lehrer) während einer Therapiesitzung erarbeitet werden und die bis zur nächsten Sitzung durchgeführt werden sollen. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil jeder multimodalen Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie. Therapieaufgaben können zu einer vertieften Diagnostik beitragen; sie dienen aber vor allem dazu, die in der Therapiesitzung erarbeiteten Strategien zur Veränderung von Verhalten im Alltag des Patienten zu implementieren. Bei der Einführung einer Therapieaufgabe ist es wichtig, die Aufgabe zunächst gut vorzubereiten, das Ziel der Therapieaufgabe gemeinsam mit den Beteiligten zu erarbeiten, die Therapieaufgabe gemeinsam exakt zu planen, mögliche Barrieren zu antizipieren und deren Bewältigung vorzuplanen, Kontingenzen gemeinsam festzulegen, Materialien für die Durchführung zu entwickeln und Dokumentationen festzulegen, die Therapieaufgabe final erst zu vereinbaren, wenn das Kompetenzvertrauen ausreichend vorhanden ist und die Erfahrungen mit der Therapieaufgabe in der nächsten Sitzung zu besprechen.
Manfred Döpfner, Michael Linden
Kapitel 18. Imagination und kognitives Rehearsal
Zusammenfassung
Imaginationsbasierte Verfahren sind in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie weit verbreitet. Die eher bildhaft orientierte Technik entspricht der kindlichen und damit auch eher assoziativen Verarbeitung von Informationen. Sie sind oftmals Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie, wie bereits an der Benennung der „kognitiven Probe“ oder des „kognitiven Rehearsals“ erkennbar ist. Durch diese Techniken können unterschiedlichste Therapieziele umgesetzt werden – von der Ressourcengenerierung bis hin zur Bewältigung von schwierigen Situationen oder Verhaltensweisen. Somit können nicht nur Gedanken, sondern auch Emotionen und Verhaltensweisen des Kindes bzw. Jugendlichen modifiziert werden. In diesem Kapitel werden die Einsatzmöglichkeiten und entwicklungspsychologischen Besonderheiten für den Einsatz von Imaginationstechniken dargestellt und reflektiert.
Angelika A. Schlarb
Kapitel 19. Kognitives Umstrukturieren
Zusammenfassung
Die hier vorgestellten Techniken versuchen, automatisch ablaufende Denkprozesse bewusst zu machen und umzustrukturieren, um darüber emotionale und Verhaltensstörungen zu reduzieren. Spaltenprotokolle werden dazu genutzt, Gefühle, Verhalten und Gedanken in einer konkreten Situation zu beobachten. Im Anschluss sollen verzerrte, realitätsferne Gedanken hinterfragt werden, indem z. B. Widersprüche oder Denkfehler aufgezeigt werden. So soll der Patient eigenständig zu einer Umformulierung, d. h. Neubenennung der Gedanken kommen. Das vorliegende Kapitel beschreibt zunächst Einsatzmöglichkeiten und entwicklungspsychologische Besonderheiten für die kognitive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Anschließend werden das Erstellen von Spaltenprotokollen und der Prozess der kognitiven Neubenennung erläutert.
Charlotte Hanisch, Martin Hautzinger
Kapitel 20. Kontingenzmanagement
Zusammenfassung
Kontingenzmanagement beschreibt die Modifikation von positiven oder negativen Konsequenzen eines spezifischen Verhaltens, um dadurch die Auftretenshäufigkeit von erwünschtem oder angemessenem Verhalten zu erhöhen und von unerwünschtem oder Problemverhalten zu vermindern. Positive Verstärkung und negative Verstärkung haben eine Zunahme der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens zur Folge, während Verstärkerentzug und Löschung sowie Bestrafung zur Reduktion der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens führen. Vermutlich ist das Kontingenzmanagement die wichtigste verhaltenstherapeutische Technik, vor allem in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Diese Methoden werden nicht nur eingesetzt, um problematisches Verhalten direkt zu vermindern und angemessenes Verhalten direkt aufzubauen, sondern auch, um basale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kinderpsychotherapie (z. B. Beziehungsaufbau, Motivationsaufbau) zu etablieren oder um die Anwendung anderer Methoden zu verstärken.
Manfred Döpfner
Kapitel 21. Mikro-Verhaltensanalyse
Zusammenfassung
In dem vorliegenden Kapitel wird die Mikro-Verhaltensanalyse als kleinste Einheit zur Einzelfalldiagnostik im Rahmen der Problem- und Verhaltensanalyse in der Kinder- und Jugendpsychotherapie eingeordnet und deren Funktion im therapeutischen Prozess erläutert. Die Entwicklung und Weiterentwicklung der Mikro-Verhaltensanalyse werden skizziert. Anschließend wird das konkrete Vorgehen in der therapeutischen Praxis in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes veranschaulicht. Hinweise zur Indikation und Kontraindikation werden gegeben.
Nina Spröber-Kolb, Martin Hautzinger
Kapitel 22. Makro-Verhaltensanalyse
Zusammenfassung
In der Makro-Verhaltensanalyse werden die übergeordneten Rahmenbedingungen, der soziale Kontext und die intra- bzw. interpersonelle Funktionalität für die Auslösung und die Aufrechterhaltung von Problemverhalten analysiert. In der Makro-Verhaltensanalyse lassen sich vier Teilanalysen identifizieren, die in eine Gesamtanalyse integriert werden. Die Entwicklungsanalyse untersucht die prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen eines Problemverhaltens. Die Analyse sozialer Systeme (Systemanalyse) stellt Verbindungen zwischen den identifizierten psychosozialen Bedingungen und den Interaktionen sowie Beziehungen einerseits und den Verhaltensauffälligkeiten des Patienten andererseits her. Die Analyse individueller kognitiver, emotionaler und motivationaler Schemata (Schemaanalyse) untersucht den Einfluss übergeordneter persönlicher Motive, Ziele und Denkmuster des Kindes oder Jugendlichen auf das konkrete Denken, Erleben und Verhalten in einer spezifischen Problemsituation. Die Ressourcenanalyse identifiziert externe, interpersonelle und intrapersonelle Ressourcen des Patienten und seines Umfeldes.
Manfred Döpfner
Kapitel 23. Modelldarbietung
Zusammenfassung
Das therapeutische Verfahren des Modelldarbietens wird auch als Imitationslernen oder Beobachtungslernen bezeichnet. In seiner einfachsten Form besteht es darin, dass ein Modell (z. B. ein Erwachsener) ein Verhalten zeigt, das von einem Kind beobachtet wird. Das beobachtende Kind muss das Modellverhalten wahrnehmen und behalten. Dieser erste Schritt wird als Aneignungsphase (Lernphase) bezeichnet. Das beobachtende Kind muss die Beobachtungen dann in eigenes Verhalten umsetzen. Die Voraussetzungen dafür müssen sich in der entsprechenden Umgebung (z. B. Schulklasse, Familie) befinden, und es muss ein Anreiz (Motivation) zur Ausführung bestehen. Diese Ausführungsphase ist eine zweite, wesentliche Phase des Modelllernens. Modelldarbietung wird therapeutisch unter verschiedenen Zielrichtungen eingesetzt. Am häufigsten sollen durch Modelllernen neue Fertigkeiten und Handlungsabläufe erworben werden.
Martin Hautzinger, Manfred Döpfner
Kapitel 24. Tokensysteme
Zusammenfassung
Tokensysteme (Münzverstärkungsprogramme) sind eine Methode des Kontingenzmanagements, bei der auf angemessenes Verhalten die Vergabe eines Tokens, d. h. eines meist zunächst weitgehend neutralen Zeichens erfolgt. Die Tokens können später in primäre Verstärker eingetauscht werden. Neben solchen Tokenvergabesystemen haben sich auch Tokenentzugssysteme etabliert, bei denen Tokens als Konsequenz einer Handlung entzogen werden. Sie dienen hauptsächlich der Reduktion von Problemverhalten. Tokensysteme zählen zu den wichtigsten Interventionen im Kindesalter und können in einem sehr breiten Spektrum an psychischen Störungen sowie in vielfältigen Lebensbereichen erfolgreich eingesetzt werden.
Manfred Döpfner
Kapitel 25. Problemlösetraining
Zusammenfassung
Bei einem Problemlösetraining handelt es sich um eine therapeutische Technik zur Verbesserung der Selbsteffizienz des Patienten oder der Bezugspersonen im Umgang mit Problemen. Problemlösetrainings sind dann angezeigt, wenn regelmäßige Schwierigkeiten beispielsweise bei sozialen Anforderungssituationen oder bei sachlich-leistungsbezogenen Aufgaben auftreten. Es werden Problemlösefertigkeiten vermittelt, die bei Alltags- oder sozialen Problemen angewendet werden und möglichst wirksame Lösungen erzielen sollen.
Anja Görtz-Dorten
Kapitel 26. Selbst- und Fremdbeobachtung
Zusammenfassung
Selbstbeobachtung umfasst das Beobachten und Registrieren von eigenen offen sichtbaren oder verdeckten Verhaltensweisen, einschließlich Gedanken und Stimmungen. Fremdbeobachtung erlaubt das Registrieren und Beurteilen von offenem Verhalten z. B. in der Schulklasse oder in der Familie. Es lassen sich zwei Arten der Selbst- bzw. Fremdbeobachtung unterscheiden: Häufigkeits- und Zeitstichproben. Tages- bzw. Wochenprotokolle dienen der Erfassung von Aktivitäten und Stimmungen im Verlauf sowie auch der Planung von Aktivitäten. Durch den Einsatz von Beobachtungsprotokollen sollen Kinder und Jugendliche aktiver werden, mehr Positives im Alltag erleben, Störverhalten bzw. Symptome kontrollieren lernen, belastende Aktivitäten abbauen und Vermeideverhalten reduzieren.
Martin Hautzinger, Manfred Döpfner
Kapitel 27. Selbstinstruktion und Selbstverstärkung
Zusammenfassung
Durch Selbstinstruktionen und Selbstverstärkungen kann eine Person die einer problematischen Kognition, Emotion oder Handlung vorhergehenden und nachfolgenden Bedingungen und dadurch das Problemverhalten selbst verändern. Selbstinstruktionen zielen also darauf ab, die antezedenten Bedingungen von problematischem Denken, Fühlen oder Handeln zu modifizieren, während Selbstverstärkung die nachfolgenden Bedingungen von angemessenem Verhalten verändert und damit zur Verhaltensmodifikation beiträgt. Diese Techniken spielen bei der Behandlung nahezu aller psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter eine wichtige Rolle. Zur Durchführung werden zunächst dysfunktionale Kognitionen, kognitive Prozesse oder Selbstverstärkungsprozesse identifiziert. Danach werden Alternativen erarbeitet, durch den Therapeuten demonstriert und durch den Patienten eingeübt, schließlich automatisiert und auf den Alltag übertragen.
Manfred Döpfner
Kapitel 28. Gesprächsführung und sokratischer Dialog
Zusammenfassung
Verzerrte und wirklichkeitsferne Denkmuster spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung verschiedener Störungsbilder im Kindes- und Jugendalter. Der sokratische Dialog gilt als Methode der Wahl, um solch irrationale Überzeugungen zu identifizieren und zu verändern. Der Therapeut versucht hierbei, den Patienten durch spezielle Gesprächsführungs- und Fragetechniken in einen Zustand innerer Verwirrung zu versetzen und so zu einer eigenständigen Veränderung kognitiver Schemata anzuregen. Das vorliegende Kapitel beschreibt das Vorgehen beim sokratischen Gespräch mit älteren Kindern und Jugendlichen und schlägt vor, spielerische und emotionsaktivierende Methoden bei der Anwendung sokratischer Fragen in der Arbeit mit Kindern zu ergänzen.
Charlotte Hanisch
Kapitel 29. Stimuluskontrolle
Zusammenfassung
Unter Stimuluskontrolle versteht man die Beeinflussung von Verhalten durch die geplante Anwendung und Kontrolle der dem Zielverhalten vorausgehenden Reizbedingungen. Durch die Veränderung bzw. Kontrolle vorausgehender Reize (Stimuli) kann das nachfolgende Verhalten kontrolliert und die Wahrscheinlichkeit seines Auftretens beeinflusst werden. Stimuluskontrolle ist das häufigste und auch im Alltag gebräuchliche Mittel, bestimmte Reaktionen hervorzurufen oder zu unterbinden.
Martin Hautzinger
Kapitel 30. Verhaltensbeobachtung
Zusammenfassung
Systematische Verhaltensbeobachtungen erfassen Häufigkeit und Ausprägung, Vorläufer und Folgen eines exakt definierten Problemverhaltens und stellen einen wichtigen Baustein der Verhaltensdiagnostik dar. Das zur Beurteilung herangezogene Kategoriensystem sollte sich auf Einzelaspekte des Verhaltens beziehen, die gut beobachtbar und präzise operationalisiert sind. Dabei sind in der Regel hoch strukturierte Situationen (z. B. Hausaufgabensituation oder Schulunterricht) niedriger strukturierten Verfahren vorzuziehen. Der Einbezug von Verhaltensbeobachtung wird in zahlreichen Diagnostik- und Behandlungsleitlinien für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter thematisiert, wohingegen der spezifische Einsatz standardisierter Verhaltensbeobachtungsinstrumente bisher nur bei wenigen Leitlinien differenziert herausgearbeitet wurde (z. B. bei Autismus-Spektrum-Störungen).
Wolfgang Ihle
Kapitel 31. Verhaltensübungen und Rollenspiele
Zusammenfassung
Verhaltensübungen, Verhaltensproben und Rollenspiele gehören zu den therapeutischen Standardmethoden. Kaum eine Behandlung kommt ohne diese übenden, aktiven Interventionen aus. Verhaltensübungen sind ein Modell einer realen, dort meist komplexeren Situation. Diese Situation im Rollenspiel zu erproben ist ungefährlich. Rollenspiele und die Rollenaufteilung dienen zur Strukturierung von (z. B. sozialem) Verhalten bzw. von Verhaltensketten. Durch die Beschreibung von Situationen, von Rollen, des eigenen Verhaltens, von Reaktionen der Interaktionspartner und Verhaltensabläufen wird versucht, den menschlichen Verhaltensstrom in Einheiten aufzugliedern, veränderbar (lernbar, trainierbar) und emotional neu erfahrbar zu machen. Verhaltensübungen sind bei Kindern und Jugendlichen motivierend, aktivierend und meist sehr beliebt.
Anja Görtz-Dorten, Martin Hautzinger
Kapitel 32. Verhaltensverträge
Zusammenfassung
Verhaltensverträge dienen als therapeutische Technik dazu, zwischen zwei oder mehr Personen Kontingenzen, also Verhaltenskonsequenzen festzulegen. Verhaltensverträge können zwischen Patienten jeden Alters oder Bezugspersonen einerseits und Therapeuten andererseits geschlossen werden; sie können auch zwischen Patienten und Bezugspersonen vereinbart werden. Verhaltensverträge können im Rahmen von Therapien bei allen psychischen Störungen sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen eingesetzt werden. Verhaltensverträge müssen mit den Beteiligten ausgehandelt werden, und eine klare Beschreibung der Bedingungen und der Konsequenzen ist notwendig für einen wirkungsvollen Verhaltensvertrag.
Manfred Döpfner, Martin Hautzinger

Therapiemethoden und -strategien

Frontmatter
Kapitel 33. Prävention psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter
Zusammenfassung
Prävention beschreibt Interventionen, die vor dem erstmaligen Auftreten von psychischen Störungen erfolgen. Für Prävention spielen Risiko- und Schutzfaktoren eine zentrale Rolle, da präventive Maßnahmen entweder versuchen, diese Faktoren zu beeinflussen, oder für die Selektion einer Zielgruppe genutzt werden. In diesem Kapitel werden unterschiedliche Formen von Prävention (indiziert, selektiv, universell), deren Evidenz und Indikationen und Kontraindikationen diskutiert. Weiterhin werden das indizierte verhaltenstherapeutische Präventionsprogramm für expansives Problemverhalten (PEP), das sich an Eltern und Lehrer von Kindern mit ersten expansiven Verhaltensauffälligkeiten richtet, sowie das universelle kognitiv-verhaltenstherapeutische Depressionspräventionsprogramm Lust An Realistischer Sicht & Leichtigkeit Im Sozialen Alltag (LARS & LISA) dargestellt.
Patrick Pössel, Christopher Hautmann
Kapitel 34. Soziale Kompetenztrainings
Zusammenfassung
Soziale Kompetenztrainings haben sich bei vielen Störungsbildern bei Kindern und Jugendlichen als wirksam erwiesen. Die wichtigste Technik zum Einüben von sozialen Kompetenzen ist das Rollenspiel mit Videofeedback, das durch andere verhaltenstherapeutische Techniken ergänzt wird. Die einzelnen Bausteine eines sozialen Kompetenztrainings müssen individuell auf das Kind zugeschnitten werden. Um einen Transfer in den Alltag zu gewährleisten, sollten sich die Rollenspiele an konkreten individuellen Problemsituationen orientieren. Dabei werden diejenigen Fertigkeiten eingeübt, die für eine positive Bewältigung der Situation notwendig sind.
Hendrik Büch
Kapitel 35. Training organisatorischer Fähigkeiten
Zusammenfassung
Organisatorische Fähigkeiten werden unter anderem benötigt, um schulische Anforderungen und damit verbundene Aufgaben zu erfüllen, die zu Hause erledigt werden müssen. Aber auch Freizeitaktivitäten und der Familienalltag stellen Anforderungen an organisatorische Fähigkeiten. Defizite in organisatorischen Fähigkeiten können bei verschiedenen Störungsbildern auftreten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Trainings organisatorischer Fähigkeiten sollen Kindern und Jugendlichen helfen, ihre Organisations-, Zeitmanagements- und Planungsfähigkeiten zu verbessern. Sie sind für den Einsatz ab dem Grundschulalter konzipiert. In mehreren Studien konnten Belege für eine Verbesserung der organisatorischen Fähigkeiten und der allgemeinen Schulleistungen sowie Hinweise auf die Reduktion von AHDS-Symptomen gefunden werden.
Sonja Braun
Kapitel 36. Computer- und mediengestützte Interventionen
Zusammenfassung
Computer- und mediengestützte Interventionen umfassen kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen über den Computer, das Internet, das Smartphone, das klassische Telefon sowie über die virtuelle Realität und über soziale Roboter mit künstlicher Intelligenz. Diese Technologien können die therapeutische Arbeit entweder ergänzen oder teilweise bis vollständig ersetzen, und sie können sich auf den Patienten oder auf seine Bezugspersonen beziehen. Der Einsatz digitaler Technologien kann vermutlich helfen, Therapie für Kinder und Jugendliche interessanter zu gestalten und damit Motivationsprobleme zu minimieren. Außerdem können digitale Technologien dazu beitragen, dass Probleme konkreter in der Therapiesitzung bearbeitet werden und dass Therapieaufgaben im Alltag besser umgesetzt werden können. Schließlich lassen sich möglicherweise Versorgungsprobleme vermindern, weil über digitale Technologien Selbsthilfemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen oder der Bezugspersonen verbessert werden können. Obwohl die bisherigen Ergebnisse empirischer Studien hoffnungsvoll stimmen, sind noch viele Fragen hinsichtlich der Akzeptanz, der Adhärenz und der Wirksamkeit offen, die in weiteren Studien zu klären sind.
Manfred Döpfner
Kapitel 37. Kognitiv-behaviorale Spieltherapie
Zusammenfassung
Das Medium Spiel wird bei Kindern in nahezu jeder multimodalen Kinder- und Jugendlichen-VT eingesetzt. Kognitiv-behaviorale Spieltherapie kann für den Aufbau einer therapeutischen Beziehung zum Kind, zur Stärkung der Therapiemotivation, zur Verstärkung von Verhaltensänderungen und zur direkten Modifikation von psychischen Auffälligkeiten und problemaufrechterhaltenden Faktoren eingesetzt werden. Je nach Zielsetzung kann die kognitiv-behaviorale Spieltherapie entlang von fünf Dimensionen variieren: 1) durch den Grad der Vorstrukturierung der Spielsituation anhand der Auswahl von Spielmaterialien und Spielinhalten, 2) durch den Grad der Vorstrukturierung der Spielsituation anhand der Formulierung von Verhaltensregeln und Spielzielen, 3) durch das Ausmaß der Hilfestellung bei der kognitiven Verarbeitung einer Situation und der emotionalen und aktionalen Reaktionen, 4) durch den Grad der Lenkung mittels positiver Zuwendung und Verstärkung und 5) durch die Intensität der Lenkung anhand der Reaktionen auf unangemessene Verhaltensweisen. Spieltherapeutische Interventionen werden meist im Einzelsetting mit dem Therapeuten durchgeführt. Darüber hinaus können auch bedeutsame Bezugspersonen – Eltern, Geschwister oder Erzieher – in Behandlungen einbezogen werden. Außerdem hat das Medium Spiel eine wichtige Funktion im Rahmen von Gruppentherapien.
Manfred Döpfner, Tanja Wolf Metternich-Kaizman
Kapitel 38. Eltern- und familienzentrierte Interventionen
Zusammenfassung
Unter dem Begriff der eltern- und familienzentrierten Interventionen werden Elternberatungen, Elterntrainings, Eltern-Kind-Therapien und weitere Interventionen in der Familie zusammengefasst. Sie sind elementarer Bestandteil einer multimodalen Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie. Ziel dieser Interventionen ist vor allem die Veränderung von Bedingungen, insbesondere von Interaktionen in der Familie, die zur Aufrechterhaltung der Problematik des Kindes oder Jugendlichen beitragen können. Eltern und andere Familienmitglieder werden dann als Mediatoren eingesetzt, um die Problematik des Patienten zu bewältigen. Die Interventionen können beispielsweise die Förderung von positiven Eltern-Kind-Beziehungen und -Interaktionen, die Stärkung von konsistentem Erziehungsverhalten oder die Unterstützung der Generalisierung von Verhaltensänderungen aus der Therapiesituation in den familiären Alltag umfassen. Zudem kann in diesem Rahmen auch die Bearbeitung von Partnerschaftsproblemen der Eltern, die Behandlung psychischer Störungen der Eltern oder anderer Familienmitglieder und die Verminderung anderer familiärer Belastungen eine Rolle spielen.
Manfred Döpfner, Stephanie Schürmann
Kapitel 39. Gruppentherapien
Zusammenfassung
Gruppentherapien für Kinder und Jugendliche führen zu wichtigen diagnostischen Erkenntnissen und ermöglichen eine Problemaktualisierung und -bearbeitung interaktioneller und emotionaler Prozesse, die in der Einzeltherapie so oft nicht gegeben ist. Gruppentherapien stellen besondere therapeutische und pädagogische Herausforderungen an die Therapeuten. Beschrieben werden verschiedene Formate und Merkmale, Vor- und Nachteile sowie Indikationen und Kontraindikationen von Gruppentherapien. Es gibt nur wenige empirische Erkenntnisse zur Gruppentherapie bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere Untersuchungen zu möglichen inkrementellen Effekten von Gruppentherapie als Ergänzung zur Einzeltherapie stehen aus. Häufigere Angebote von Gruppentherapien in der ambulanten Versorgung wären wünschenswert.
Christina Schwenck, Sabine Maur
Kapitel 40. Interventionen in Schulen und Kindertagesstätten
Zusammenfassung
Interventionen in Schulen oder Kindertagesstätten können über Mediatorentrainings mit Erziehern oder Lehrkräften bei verschiedenen Verhaltensproblemen und -störungen zum Einsatz kommen. Im Gruppen- oder Einzelformat werden Erzieher und Lehrkräfte darin geschult, Interventionen im Alltag des Patienten umzusetzen und bei Bedarf anzupassen. Am häufigsten werden Mediatorentrainings bei Kindern mit externalisierenden Verhaltensstörungen und hier vor allem im Bereich des Kontingenzmanagements eingesetzt. Der Einbezug pädagogischer Fachkräfte in die multimodale Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie ist immer dann sinnvoll, wenn Problemverhalten im jeweiligen Setting auftritt und der Mediator den Patienten bei Alltagstransfer und Generalisierung neuer Verhaltensweisen unterstützen kann. Mediatorentrainings werden sowohl im therapeutischen Kontext als auch zur Prävention von Verhaltensstörungen eingesetzt.
Charlotte Hanisch, Stefanie Richard

Störungsbezogene Therapiekonzepte

Frontmatter
Kapitel 41. Adipositas
Zusammenfassung
Adipositas ist weit verbreitet und stabil; die Stabilität nimmt mit dem Alter der Kinder zu. Neben den physischen Beeinträchtigungen ist die juvenile Adipositas mit deutlichen psychischen Belastungen wie Stigmatisierungserfahrungen bis hin zu psychischen Störungen verbunden. Weiterhin spielen in der Genese und Aufrechterhaltung eine Reihe von psychischen Faktoren wie exekutive Funktionen, Emotionsregulation oder Stressreagibilität eine wichtige Rolle. Psychologische Interventionen setzen an einer Veränderung des Ess-, Ernährungs- und Bewegungsverhaltens an und beziehen die Eltern mit ein. Neben einer Reduktion des Gewichtsstatus steht vor allem auch die Steigerung psychosozialen Wohlbefindens und der Selbstmanagementfertigkeiten im Vordergrund. Integrative Lebensstilprogramme sind mit geringen, aber signifikanten Effekten in Hinblick auf die Gewichtsreduktion verbunden. Allerdings sind die längerfristigen Wirkungen dieser Programme und die Erreichbarkeit der relevanten Zielgruppen noch umstritten.
Petra Warschburger
Kapitel 42. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen
Zusammenfassung
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) oder hyperkinetische Störungen (HKS) umfassen ein breites Spektrum an hyperaktiven, impulsiven und unaufmerksamen Verhaltensweisen, die häufig gemeinsam auftreten. Je nach Vorherrschen der Symptomatik werden das primär unaufmerksame, das primär hyperkinetische und das gemischte Erscheinungsbild unterschieden. Bei der Therapie der ADHS haben sich vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen sowie Pharmakotherapie bewährt. Entsprechend der verhaltenstherapeutischen Ansätze können eltern- und familienzentrierte Interventionen, kindergarten- und schulzentrierte Interventionen und patientenzentrierte Interventionen voneinander abgegrenzt werden. Diese werden häufig gemeinsam mit einer Pharmakotherapie in eine multimodale Psychotherapie integriert.
Manfred Döpfner
Kapitel 43. Affektregulationsstörungen
Zusammenfassung
Affektregulationsstörungen sind ein transdiagnostisches Phänomen. Sie zeichnen sich durch eine übermäßige Reaktivität auf negative Stimuli aus und äußern sich in einer affektiven Komponente, die durch Reizbarkeit und niedrige Frustrationstoleranz, erhöhte Erregbarkeit, ärgerliche Stimmung, Wut, aber auch durch depressive Stimmungsauslenkungen wie Traurigkeit oder Weinerlichkeit gekennzeichnet ist. Auf der Verhaltensebene können sich diese Affekte in gereizten Reaktionen, Schreien, Toben, Wutanfällen und anderen verbalen oder körperlichen Aggressionen sowie in Selbstverletzungen, aber auch Weinen oder Antriebsminderungen äußern. Kognitiv-behaviorale Verfahren zur Verbesserung von Emotionsregulation und Ärgerkontrolle sind zu empfehlen; eine Begleitbehandlung mit Methylphenidat bei Patienten mit ADHS-Symptomen ist aktuell am vielversprechendsten.
Tanja Legenbauer, Anja Görtz-Dorten
Kapitel 44. Oppositionelle und aggressiv-dissoziale Störungen
Zusammenfassung
Oppositionelles Trotzverhalten beschreibt eine Verweigerungshaltung, die sich im Interaktionsverhalten einschließlich verbalen Äußerungen gegenüber Erwachsenen zeigt. Verbal oder körperlich aggressives Verhalten kann gegenüber anderen Personen oder Gegenständen auftreten. Dissoziale Verhaltensweisen umfassen Verletzungen der Rechte anderer und können offen (Raub) oder verdeckt (Lügen, Diebstähle) gezeigt werden. Der Beginn der oppositionellen und der aggressiv-dissozialen Symptomatik liegt typischerweise in der Kindheit oder der Adoleszenz. Oppositionelle, aggressive und dissoziale Verhaltensweisen sind im Entwicklungsverlauf im Vergleich zu anderen psychischen Auffälligkeiten sehr stabil. Kognitiv-behaviorale Ansätze zählen zu den wirksamsten Therapieverfahren. Unter diesen psychotherapeutischen Verfahren haben sich Elterntrainings, soziale Kompetenztrainings einschließlich Trainings zur sozial-kognitiven Problemlösung und schul- bzw. kindergartenzentrierte Interventionen als effektiv erwiesen.
Anja Görtz-Dorten
Kapitel 45. Anorexia und Bulimia nervosa
Zusammenfassung
Anorexia und Bulimia nervosa gelten als klassische Essstörungsformen. Beiden gemeinsam ist eine Überbeschäftigung mit Figur, Gewicht und Essen, welche mit Diätverhalten einhergeht. Während bei der Anorexia nervosa der Fokus vor allem auf einer rigiden Kontrolle des Körpergewichts, gepaart mit einer starken Angst vor Gewichtszunahme, liegt, ist das Kardinalsymptom der Bulimia nervosa der Kontrollverlust über das Essverhalten mit entsprechenden Gegenmaßnahmen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Entsprechend liegt der Fokus bei der Behandlung der Anorexie auf der Gewichtszunahme, während bei der Bulimie vor allem eine Reduktion von Heißhungerattacken und Erbrechen angestrebt wird. Zudem sollten dysfunktionale Überzeugungen in Bezug auf Figur, Gewicht und Ernährungsverhalten bearbeitet und ein regelmäßiges, ausgewogenes Essverhalten etabliert werden. Insbesondere bei der Anorexie ist im Kindes- und Jugendalter der Einbezug der Familie oft notwendig.
Tanja Legenbauer
Kapitel 46. Autismus-Spektrum-Störungen
Zusammenfassung
Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind gekennzeichnet durch anhaltende Defizite in der Fähigkeit, reziproke soziale Interaktion und soziale Kommunikation zu initiieren und aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sind eingeschränkte, repetitive und unflexible Muster von Verhaltensweisen und Interessen charakteristisch. Die Auffälligkeiten bestehen bereits seit der frühen Kindheit und persistieren bis ins Erwachsenenalter. Die verhaltenstherapeutischen Interventionen zielen darauf ab, die autismusspezifische Symptomatik sowie die psychischen Begleitstörungen zu verbessern. Dabei sollte die Behandlung möglichst früh beginnen und auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Psychopharmakologische Therapien können ergänzend zur Behandlung komorbider Störungen sinnvoll sein.
Nicole Bruning, Pamela Roland
Kapitel 47. Bindungsstörungen
Zusammenfassung
Frühkindliche Bindungsstörungen umfassen zwei getrennte Störungsbilder: die „reaktive Bindungsstörung im Kindesalter“ und die „Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung“, die neu in der ICD-11 als „Störung enthemmter sozialer Beziehungsaufnahme“ definiert ist. Damit lässt sich das Störungsbild nicht mehr wie bisher ausschließlich auf Störungen in der Bindungsbeziehung zurückführen, sondern es kann bei fehlender oder bei abweichender Bindung ebenso wie in positiven Bindungsbeziehungen auftreten. Bindungsstörungen gehen mit schwerer Vernachlässigung und Misshandlung bzw. extrem unzureichender Fürsorge einher und in deren Folge mit Beeinträchtigungen vieler psychosozialer Funktionen. Für die Therapie von Bindungsstörungen gibt es bisher kein umfassend standardisiertes und hinreichend erfolgreiches Vorgehen. Unbestritten ist jedoch, dass die (Re-)Etablierung einer emotional verlässlichen und stabilen Bindungsbeziehung in jeder Therapie unabdingbar ist. In diesem Zusammenhang haben sich bindungsbasierte und videogestützte Programme zur Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen bewährt, die zwingend von verbindlicher interdisziplinärer Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe flankiert werden müssen.
Ute Ziegenhain
Kapitel 48. Chronisch-somatische Erkrankungen
Zusammenfassung
Chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, Epilepsie, Mukoviszidose oder atopische Dermatitis mit einer somatischen Ätiologie konfrontieren die betroffenen Kinder und ihre Familien mit vielschichtigen psychosozialen Folgebelastungen und behandlungsbedingten Bewältigungsanforderungen. Der Erkrankungs-, Behandlungs- und allgemeine Entwicklungsverlauf wird durch psychosoziale Risiko- und Schutzfaktoren moderiert mit dem Risiko der Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wie der Herausbildung sekundärer psychischer Störungen.
Die Anpassungserfordernisse verlangen umfassende Bewältigungskompetenzen im Sinne einer rationalen Problemlösung (Verstehen und Ausführen von Selbstbehandlung in Alltagssituationen), der kommunikativen Selbstsicherheit (Mitteilen der Erkrankung, Stigmatisierungserfahrungen) sowie der Emotionsregulation bei Beeinträchtigungen des Körper- und Selbstkonzepts.
Im Mittelpunkt verhaltenstherapeutisch begründeter Interventionen stehen Trainings zum Krankheits- und Selbstmanagement in enger Abstimmung mit der pädiatrischen Therapie der Grunderkrankung. Die Stärkung der Krankheitsbewältigung erfolgt nicht nur kindzentriert, sondern auch eltern- und familienzentriert Nach Studienlage stellen pädiatrisch-psychologische Patientenschulungsprogramme sowie behavioral-systemische Familienberatungen heute einen integralen Bestandteil einer evidenzorientierten Therapie chronischer Erkrankung im Kindes- und Jugendalter dar.
Meinolf Noeker
Kapitel 49. Depressionen
Zusammenfassung
Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, Interessenverlust, Antriebsmangel, begleitet von Selbstzweifeln, Ängstlichkeit, Appetitmangel, Schlafproblemen und erhöhter Ermüdbarkeit, gelten als zentrale Symptome des depressiven Syndroms. Üblicherweise diagnostiziert man auch bei Kindern und Jugendlichen dann eine typische depressive Episode, wenn über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen fünf zentrale depressive Symptome gleichzeitig vorliegen und damit eine Änderung der vorher bestehenden Leistungsfähigkeit einhergeht. Abhängig vom Einzelfall lassen sich als Ziele der Behandlung formulieren: Psychoedukation, Er- und Aufklärung; positive Erfahrungen in Familie, sozialem Umfeld und Schule; Schaffung einer Balance von angenehmen, verstärkenden Aktivitäten einerseits und Pflichten bzw. unangenehmen Aktivitäten andererseits; Verbesserung von Arbeits- und Konzentrationsverhalten, interaktioneller und kommunikativer Kompetenz; Korrektur überzogener Ansprüche und Einstellungen; Aufbau von konstruktivem, selbstwertdienlichem Denken; Überwindung von selbstschädigender Erfahrungsverarbeitung; (Situations-)Analysen von Alltagserfahrungen. Diese Therapien (ggf. unter Einbezug der Familie und Schule) gelten heute als überzeugend empirisch belegt.
Martin Hautzinger
Kapitel 50. Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Zusammenfassung
Bei den Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten liegt die Lese-, Rechtschreib- und/oder Rechenleistung eines Kindes deutlich unter dem Niveau, welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist. Etwa 3–8 % der Kinder sind von einer Lese-Rechtschreib-Störung oder einer Rechenstörung betroffen. Der Schulerfolg und die berufliche Laufbahn sind häufig erheblich beeinträchtigt. Die Behandlung umfasst eine langfristige Lerntherapie und schulische Maßnahmen (Nachteilsausgleich, Notenschutz, Vermeidung von Überforderung durch angemessene Aufgabenstellungen). Bei der Therapieplanung sollten auch die häufig auftretenden komorbiden Symptome (z. B. ADHS, Ängste) berücksichtigt werden.
Günter Esser, Elena von Wirth
Kapitel 51. Enuresis, funktionelle Harninkontinenz tags und Enkopresis
Zusammenfassung
Ausscheidungsstörungen sind häufige, heterogene Störungen des Kindesalters. Sie umfassen die Enuresis nocturna, die Harninkontinenz tags und die Enkopresis, jeweils mit verschiedenen Subformen. Eine genaue Diagnostik ist die Voraussetzung für eine spezifische Therapie. Die Standardurotherapie, die viele verhaltenstherapeutische Elemente enthält, bildet dabei die therapeutische Grundlage für alle Ausscheidungsstörungen. Bei der Enuresis nocturna sind darüber hinaus Dokumentation, apparative Verhaltenstherapie und das Medikament Desmopressin indiziert. Bei der Harninkontinenz tags richtet sich das spezifische Vorgehen nach der jeweiligen Subform. Bei der Enkopresis steht ein Toilettentraining im Vordergrund, das bei Obstipation mit Laxanzien kombiniert wird. Komorbide psychische Störungen sollten erfasst und separat behandelt werden. Eine leitliniengerechte Behandlung der Ausscheidungsstörungen ist hoch wirksam und kann meistens ambulant erfolgen. Sie sollte deshalb früh beginnen.
Alexander von Gontard
Kapitel 52. Emotionale und Verhaltensstörungen bei Intelligenzminderung
Zusammenfassung
Die Prävalenz von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung liegt bei 30–40 %. Soziale Probleme mit Gleichaltrigen, Aufmerksamkeitsprobleme und aggressives Verhalten sind am häufigsten, bei Kindern mit schwerer intellektueller Beeinträchtigung kommen auch stereotype oder selbstverletzende Verhaltensweisen vor. Im Behandlungskonzept nehmen die Veränderung von Auslösebedingungen und der gezielte Aufbau von sozial-adaptiven und kommunikativen Fähigkeiten einen besonderen Stellenwert ein. Hilfen zur Reduzierung der Familienbelastung und Elterntrainings zur Förderung der Erziehungskompetenzen haben sich als ergänzende Elemente des Behandlungskonzepts bewährt.
Klaus Sarimski, Michael Kostulski
Kapitel 53. Posttraumatische Belastungsstörungen
Zusammenfassung
Nur etwa ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen, die ein traumatisches Ereignis erleiden, entwickelt nachfolgend eine Posttraumatische Belastungsstörung. Diese umfasst Symptome des Wiedererlebens (Flashbacks und Albträume), der kognitiven und behavioralen Vermeidung sowie der vegetativen Übererregung (Hypervigilanz und Schreckhaftigkeit). Die Traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie gilt als evidenzbasiertes Verfahren. Im Zentrum der Behandlung stehen Exposition und kognitive Umstrukturierung. Die Exposition in sensu wirkt der kognitiven, die Exposition in vivo der behavioralen Vermeidung entgegen. Kognitive Interventionen zielen darauf ab, durch das traumatische Ereignis induzierte Überzeugungen (z.B.: „Ich bin schuld.“) zu hinterfragen. Darüber hinaus erfolgen familienbezogene Interventionen, um eine positive Unterstützung des Kindes zu fördern und problematische Familienreaktionen zu reduzieren, sowie Maßnahmen zum Schutz vor Reviktimisierung.
Michael Simons
Kapitel 54. Psychische Störungen im Säuglings- und Kleinkindalter (0–3 Jahre)
Zusammenfassung
Psychische Störungen im Säuglings- und Kleinkindalter, also im Alter zwischen 0 und 3 Jahren, stehen im engen Zusammenhang mit dem Erreichen wichtiger Entwicklungsmeilensteine. Im Kontext der Bewältigung zentraler Entwicklungsaufgaben kann es zu Anpassungsschwierigkeiten kommen, welche schließlich zu den drei häufigsten Störungen in dieser Phase, dem exzessiven Schreien, den Schlaf- und den Fütterstörungen, führen können. Diese Verhaltensauffälligkeiten können bereits in den ersten Lebenswochen auftreten und gehen meist mit einer erheblichen Belastung der Eltern einher. Häufig kommt es zu Fehlkommunikationsprozessen zwischen den Eltern und ihrem Kind, worauf wiederum kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen fokussieren. Frühe verhaltens- und interaktionsbasierte Interventionen zeigen sowohl bei Säuglingen und Kleinkindern als auch bei Vorschulkindern eine hohe Wirksamkeit u. a. auf das Schlafverhalten, die Bindungssicherheit, die Emotionsregulation sowie auf depressive Symptome der Eltern.
Margarete Bolten
Kapitel 55. Selbstverletzendes Verhalten
Zusammenfassung
Selbstverletzendes Verhalten ist im Jugendalter ein häufiges Phänomen. Kennzeichnend sind Schwierigkeiten in der Emotionsregulation. Selbstverletzung stellt sowohl einen Risikofaktor für Suizidalität und Suizidversuche als auch für erhöhten späteren Alkohol- und Drogenkonsum dar. Des Weiteren scheinen ein früher Beginn sowie eine längere Persistenz mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung einherzugehen. Nach der Beschreibung des Erscheinungsbildes werden ätiologische Modelle, Risiko- und Schutzfaktoren sowie die wesentlichen Schritte der Diagnostik und die empfohlenen Kernelemente der Psychotherapie beschrieben. Empirisch geprüfte Behandlungsprogramme der Verhaltenstherapie werden vorgestellt.
Tina In-Albon, Paul L. Plener
Kapitel 56. Schlafstörungen
Zusammenfassung
Schlafstörungen umfassen eine Vielzahl an unterschiedlichen Störungen, die in unterschiedlichen Altersabschnitten gehäuft auftreten und oftmals deutliche Auswirkungen auf das Tagesverhalten haben. Eine strukturierte Diagnostik ist auch insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung zur organischen Bedingtheit der Schlafstörung unbedingt notwendig. Bei der Therapie der häufigsten Störungen (Insomnie und Alpträume) haben sich vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen sowie imaginative Methoden bewährt. Zu beachten in diesem Kontext ist aufgrund der großen Altersspannbreite und der Rolle der Familien die familienorientierte Intervention im jungen Alter und eine patientenfokussiertere Herangehensweise bei älteren Kindern bzw. Jugendlichen.
Angelika A. Schlarb
Kapitel 57. Schmerzstörungen
Zusammenfassung
Chronische Schmerzen im Kindes- und Jugendalter sind häufig. Für Deutschland geht man davon aus, dass etwa 5 % der Kinder und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen stark in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind und die Kriterien einer Schmerzstörung erfüllen. In diesem Kapitel werden die Grundzüge des bio-psycho-sozialen Modells zur Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen dargestellt. Das Modell bildet die Grundlage für eine multidimensionale Diagnostik sowie für verhaltenstherapeutische Ansatzpunkte. Diese umfassen eine ausführliche Psychoedukation, die Modifikation des Schonverhaltens, der Aufmerksamkeitsfokussierung auf Schmerzen, der angstbesetzten Verarbeitung der Schmerzen und der körperlichen Anspannung. Auch Interventionen für Eltern werden erläutert: die Reduktion der Fokussierung auf die Schmerzen der Kinder und die Unterstützung der aktiven Schmerzbewältigung der Kinder. Abschließend werden die Belege zur Wirksamkeit der psychologischen Interventionen kurz zusammengefasst.
Tanja Hechler
Kapitel 58. Somatoforme Störungen
Zusammenfassung
Funktionelle Beschwerden und Schmerzen ohne organmedizinisches Korrelat treten bei fast jedem fünften Kind oder Jugendlichen auf. Bei einer Teilmenge gelingt keine befriedigende Anpassung mit der Folge bedeutsamer Funktionsbeeinträchtigungen bzw. exzessiver, hypochondrischer Angst vor einer latenten, bedrohlichen Erkrankung im Sinne einer somatoformen Störung. Komorbiditäten insbesondere aus dem internalisierenden Spektrum sind häufig und bedingen eine wechselseitige Verlaufsbeeinträchtigung.
Meinolf Noeker
Kapitel 59. Soziale Ängste, Leistungsängste und generalisierte Ängste
Zusammenfassung
Kinder und Jugendliche mit sozialen oder Leistungsängsten machen sich Sorgen, ausgelacht zu werden, im Mittelpunkt zustehen, etwas Peinliches zu tun oder in Leistungssituationen schlecht abzuschneiden. Im Gegensatz dazu wird bei der generalisierten Angststörung häufig auch von Ängsten und Sorgen vor Krankheit, Krieg oder Umweltkatastrophen berichtet. In der Therapie kommen kognitive Methoden, Expositionsübungen und bei sozialen Ängsten ein soziales Kompetenztraining zum Einsatz. Generalisierte Ängste können zudem mit einer Sorgenexposition in sensu behandelt werden. Die Behandlungsprinzipien haben sich bei Kindern und Jugendlichen in mehreren Metaanalysen als wirksam erwiesen.
Hendrik Büch
Kapitel 60. Tic-Störungen
Zusammenfassung
Tics sind unwillkürliche, rasche, wiederholte, nichtrhythmische motorische Bewegungen oder vokale Produktionen, die plötzlich einsetzen und keinem offensichtlichen Zweck dienen. Etwa 4–12 % der Kinder im Grundschulalter weisen vorübergehende, 3–4 % chronische Symptome einer Tic-Störung auf. Bei der Therapie der Tic-Störungen haben sich kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen sowie Pharmakotherapie bewährt. Die Reaktionsumkehr („habit reversal“) hat sich unter den psychotherapeutischen Verfahren als das Wirkungsvollste etabliert. Diese Methode ist immer in ein umfassendes Behandlungsprogramm eingebettet.
Katrin Woitecki, Manfred Döpfner
Kapitel 61. Spezifische Phobien
Zusammenfassung
Spezifische Phobien gehören zu den häufigsten Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Die Angst zeichnet sich durch eine ausgeprägte und anhaltende Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen aus. Die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung ist Mittel der ersten Wahl und hat sich als wirksam und effizient erwiesen. Die Behandlung besteht in der Regel aus Psychoedukation, kognitiven Techniken zur Umstrukturierung dysfunktionaler angstauslösender Gedanken und Expositions- und Konfrontationsübungen. Bei einigen Ängsten haben sich das Einüben von Angstbewältigungsstrategien und Entspannungsverfahren bewährt. Bei der Spritzenphobie mit Ohnmacht wird zudem ein Anspannungstraining durchgeführt.
Hendrik Büch
Kapitel 62. Trennungsängste und Schulvermeidung
Zusammenfassung
Die Störung mit Trennungsangst ist mit ca. 4 % eine der häufigsten und frühesten psychischen Störungen. Schulvermeidung kann ein Symptom der Störung mit Trennungsangst sein. Unbehandelt stellt sie eine Schrittmacherfunktion für die Entwicklung weiterer psychischer Störungen dar. Risikofaktoren sind: Verhaltenshemmung, Angstsensitivität, negative Lebensereignisse, Psychopathologie der Eltern. Die Wirksamkeit von verhaltenstherapeutischen Interventionen, insbesondere Expositionen in vivo, bei Kindern im Vor- und Grundschulalter ist empirisch belegt.
Schulvermeidung ist ein sehr häufiges Phänomen und geht mit einer erheblichen Entwicklungsgefährdung einher. Die Ursachen umfassen Merkmale des Patienten, der Eltern, der Umwelt und der Gesellschaft. Kognitiv-behaviorale Interventionen gelten als Methode der Wahl. In der Regel wird ambulant behandelt; bei ausgeprägter und chronifizierter Symptomatik kann zunächst eine stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung erforderlich sein.
Tina In-Albon, Daniel Walter
Kapitel 63. Computerspiel- und Internetsucht
Zusammenfassung
Computerspiel- und Internetsucht ist ein relativ junges Störungsbild aus dem Spektrum der substanzungebundenen Abhängigkeitserkrankungen, den sogenannten Verhaltenssüchten. Erstmals wurde „Internet Gaming Disorder“ als Forschungsdiagnose im DSM-5 etabliert. In der kommenden ICD-11 wird sich eine Diagnose „Gaming Disorder“ im Suchkapitel finden. Als Ursache für die Entwicklung der Störung werden eine dysfunktionale Stressverarbeitung und Risikofaktoren wie soziale Ängstlichkeit oder erhöhte Introversion angesehen. Verschiedene multimodale Behandlungsprogramme verbinden Elemente des Motivational Interviewing, Übungen zur Gefühlsdiskrimination sowie Verhaltensanalysen der Internetnutzung (Wochenprotokolle). In der großen Mehrzahl der Interventionsansätze für das Kindes- und Jugendalter wird das Ziel einer signifikanten Reduktion des Spiel- und Internetverhaltens auf ein normales Maß hin, also ein kontrollierter Umgang, fokussiert. Ergänzende Elterntrainings zur Verbesserung der innerfamiliären Kommunikationsmuster werden erfolgreich angewendet.
Klaus Wölfling, Kai W. Müller, Michael Dreier
Kapitel 64. Zwangsstörungen
Zusammenfassung
Eine Zwangsstörung ist durch Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen charakterisiert. In der Behandlung haben sich kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen und Pharmakotherapie bewährt. Im Rahmen der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung werden familienzentrierte Interventionen, die kognitiv-behaviorale Therapie des Kindes/Jugendlichen (insbesondere Exposition mit Reaktionsmanagement) sowie umfeldzentrierte Interventionen angewandt, die gegebenenfalls mit medikamentöser Behandlung (als multimodale Therapie) kombiniert werden können.
Hildegard Goletz, Manfred Döpfner
Backmatter
Metadaten
Titel
Verhaltenstherapiemanual: Kinder und Jugendliche
herausgegeben von
Prof. Dr. Manfred Döpfner
Prof. Dr. Martin Hautzinger
Prof. Dr. Michael Linden
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-58980-9
Print ISBN
978-3-662-58979-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58980-9

ADHS-Medikation erhöht das kardiovaskuläre Risiko

16.05.2024 Herzinsuffizienz Nachrichten

Erwachsene, die Medikamente gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom einnehmen, laufen offenbar erhöhte Gefahr, an Herzschwäche zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Es scheint eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu bestehen.

Typ-2-Diabetes und Depression folgen oft aufeinander

14.05.2024 Typ-2-Diabetes Nachrichten

Menschen mit Typ-2-Diabetes sind überdurchschnittlich gefährdet, in den nächsten Jahren auch noch eine Depression zu entwickeln – und umgekehrt. Besonders ausgeprägt ist die Wechselbeziehung laut GKV-Daten bei jüngeren Erwachsenen.

Darf man die Behandlung eines Neonazis ablehnen?

08.05.2024 Gesellschaft Nachrichten

In einer Leseranfrage in der Zeitschrift Journal of the American Academy of Dermatology möchte ein anonymer Dermatologe bzw. eine anonyme Dermatologin wissen, ob er oder sie einen Patienten behandeln muss, der eine rassistische Tätowierung trägt.

Spezielles Sportprogramm bei einer Reihe von psychischen Erkrankungen effektiv

08.05.2024 Psychotherapie Nachrichten

Sportliche Betätigung hilft nicht nur bei Depression, sondern auch in Gruppen von Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, wie Insomnie, Panikattacken, Agoraphobie und posttraumatischem Belastungssyndrom. Sie alle profitieren längerfristig.