Erschienen in:
30.11.2022 | Poliomyelitis | Konsensuspapiere
Wann sind Antikörperbestimmungen im Serum vor oder nach Impfungen sinnvoll und wann nicht?
Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen des Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V.
verfasst von:
Prof. Dr. Ulrich Heininger, Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen des Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e. V.
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 1/2023
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Zusammenfassung
In der Praxis stellt sich häufig die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Bestimmung von Antikörperwerten bzw. Titern zur Überprüfung des Impfschutzes vor bzw. nach Impfungen. Dies kann in Ausnahmesituationen sinnvoll sein, z. B. bei Personen unter immunsuppressiver Therapie bzw. bei Verdacht auf Immundefizienz, bei Patienten mit unbekanntem Impfstatus sowie in definierten Risikosituationen (z. B. Überprüfung des Hepatitis-B-Impfschutzes nach Nadelstichverletzungen bzw. des COVID-19-Impfschutzes bei bestimmten Formen einer Immundefizienz). Im Gegensatz dazu sind für keine allgemein empfohlenen Standardimpfungen individuelle serologische Kontrollen empfohlen oder sinnvoll. Zum einen deswegen, weil aus den Zulassungsstudien oder langjähriger Anwendung bekannt ist, dass bei Einhalten der Impfempfehlungen eine ausreichend hohe individuelle Schutzwahrscheinlichkeit besteht (z. B. > 99 % bei Tetanus), zum anderen, weil die Impfstrategie primär auf indirekten Populationsschutz und nicht auf Schutz jeder einzelnen Person abzielt. Die wenigen Personen, die trotz Impfung nicht direkt geschützt sind („Impfversager“), profitieren somit indirekt von dem reduzierten Expositionsrisiko. Dies wurde an den Beispielen der oralen Poliomyelitis-Impfung in den 1960er-, der MMR-Impfung seit den 1970er- und der Hib-Impfung seit den 1990er-Jahren gezeigt. Diese Stellungnahme unserer Kommission zeigt die Evidenz zum sinnvollen Vorgehen auf, wann welche Antikörperbestimmungen nach bzw. vor einer Impfung hilfreich und aussagekräftig sind, und wann man sie besser unterlassen sollte. Sie lehnt sich dabei eng an die STIKO-Impfempfehlungen bzw. deren Anwendungshinweise an. Wir raten davon ab, dem Wunsch mancher Eltern nach medizinisch nicht begründeten Titerbestimmungen bei ihrem Kind nachzukommen.