Lernziele
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haben Sie grundlegende Kenntnisse zum Thema Cancer Survivorship und Langzeitüberlebende.
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sind Ihnen die vielfältigen Herausforderungen in der Betreuung von onkologischen Langzeitüberlebenden („cancer survivors“) bekannt.
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kennen Sie den Unterschied zwischen Langzeit- und Spätfolgen einer Tumorerkrankung und/oder -therapie und können häufige Folgen benennen.
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wissen Sie um die psychosozialen Herausforderungen einer Krebserkrankung.
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können Sie zwischen symptomorientierter Nachsorge, Therapiemonitoring und Langzeit-Follow-up differenzieren.
Einleitung
Cancer Survivorship
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Der englische Begriff „cancer survivorship“ definiert die Zeit ab der onkologischen Erstdiagnose.
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Bei Langzeitüberlebenden liegt die Erstdiagnose mindestens 5 Jahre zurück, unabhängig davon, ob ein Rezidiv aufgetreten ist.
Mögliche Langzeit- und Spätfolgen einer Krebserkrankung
(Tumor- und therapieassoziierte) Risikofaktoren | Survivorship Care Plan | |
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Körperliche Spät- und Langzeitfolgen | ||
Kardiovaskuläre Folgen (u. a. arterieller Hypertonus, Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz) | Nach Anthrazyklin/Trastuzumab Linksseitige Radiatio (Mamma) Kardiale Vorerkrankungen, CVRF | Lebensstilberatung und Patientenedukation, EKG und Echokardiographie, Blutdruckkontrollen, Lipidprofil, HbA1c jährlich |
Pulmonale Einschränkungen | Radiatio, Chemotherapie, Immuncheckpoint-Inhibitoren | Lebensstilberatung, Vorstellung Pulmologie |
Gastrointestinale Nebenwirkungen | Radiatio abdominell, Chemotherapie, Immuncheckpoint-Inhibitoren | Lebensstilberatung, medikamentöse Therapie (z. B. Loperamid bei Diarrhö), komplementärmedizinische Ansätze |
Neurologische Folgen (u. a. periphere Polyneuropathie) | Z. n. taxan- und/oder platinhaltiger Therapie, Diabetes | Fragebögen (z. B. CIPN als Teil des EORTC-QOL-Fragebogens), Physiotherapie, neurologische Vorstellung, ggf. medikamentöse Therapie (z. B. Gabapentin) |
Reduzierte Knochengesundheit/erhöhtes Osteoporoserisiko | Radiatio des kleinen Beckens, Oophorektomie, Chemotherapie, Antihormontherapie (insb. Aromataseinhibitoren) | Knochendichtemessung, Kalzium, Vitamin D, Bisphosphonate, Denosumab |
Induzierte Wechseljahresbeschwerden | Radiatio des kleinen Beckens, Oophorektomie, Chemotherapie, Antihormontherapie | Lebensstilberatung, je nach Tumor Hormontherapie, komplementärmedizinische Ansätze, körperliche Aktivität |
Veränderung der Sexualität/sexuelle Dysfunktion | Operationen und Bestrahlung des inneren und äußeren Genitals sowie der weiblichen Brust; hormonelle Veränderungen durch Operation, Bestrahlung und/oder Systemtherapie (Chemotherapie, Antihormontherapie) | QOL-Fragebögen (z. B. FSFI, FSDS, SQF), Vaginaldilatatoren, ggf. Gleitmittel, Hyaluronsäure, lokale oder systemische Hormontherapie, Genitalpflege, komplementärmedizinische Ansätze, Vorstellung sexualmedizinische Sprechstunde |
Reduzierte oder fehlende Fertilität | Chemotherapie, Radiatio des kleinen Beckens, Oophorektomie | Anbindung und Beratung in einem Kinderwunschzentrum |
Erhöhtes Zweitmalignomrisiko | Junges Alter bei Erstdiagnose, Radiatio des kleinen Beckens, Z. n. PARP-Inhibitor-Therapie, HPV-Infektion, genetisches Risikoprofil | Motivation zur Inanspruchnahme von Krebsvorsorgeprogrammen und Sekundärprävention, Lebensstilberatung, ggf. genetische Beratung |
Periphere Lymphödeme | Operationen im kleinen Becken und in der Axilla, Z. n. Lymphonodektomie | Physiotherapie, Lymphdrainage, komplexe physikalische Entstauungstherapie |
Chronische Schmerzen | Operation, Bestrahlung, Systemtherapien | Evaluation mit Schmerzscores (z. B. VAS, NRS), Physiotherapie, Analgesie, Vorstellung in einem Schmerzzentrum |
Kognitive Spät- und Langzeitfolgen | ||
Kognitive Einschränkungen (z. B. verringerte Merkfähigkeit, Konzentrationsschwäche) | ZNS-Tumoren, Strahlen- oder Chemotherapie | Screening auf Symptome wie Depression, Fatigue, Ängste, Schlafstörungen, ggf. neurologische Vorstellung, Psychoedukation, Training der kognitiven Fähigkeiten, komplementärmedizinische Ansätze (u. a. Bewegungstherapie) |
Emotionale/psychische Spät- und Langzeitfolgen | ||
Depression, Ängste, Fatigue | Jüngeres Erkrankungsalter, wenig soziale Unterstützung, negatives Körperbild, finanzielle Probleme, Einsamkeit, vorbekannte Depression | Kontinuierliches psychoonkologisches Screening (HADS, Distressthermometer), Lebensstilberatung, Kreativtherapien, komplementärmedizinische Ansätze (u. a. Bewegungstherapie) |
Soziale Spät- und Langzeitfolgen | ||
Frühberentung, finanzielle Probleme | Jüngeres Erkrankungsalter, geringeres Einkommen, niedriger sozialer Status, Vorbehalte des Arbeitgebers | Sozialmedizinische Beratung, psychosozialer Support, Einleitung Rehabilitation, Angebot von Selbsthilfegruppen |
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Langzeitfolgen treten bereits während der Therapie auf und können nach Therapieabschluss persistieren oder sogar progredient sein.
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Spätfolgen manifestieren sich erst Monate bis Jahre nach Erstdiagnose bzw. Beendigung der onkologischen Therapie.
Fokus
Fatigue-Syndrom – eine der häufigsten Langzeitfolgen
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Tumorassoziierte Fatigue ist eine der häufigsten Langzeitfolgen. Etwa 60–100 % der Betroffenen leiden unter Therapie an den Symptomen.
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Das Erscheinungsbild der Fatigue ist sehr variabel. Leitsymptome sind extreme körperliche und geistige Erschöpfung.
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Von Bedeutung sind eine ausführliche Aufklärung von Patientinnen/Patienten und Angehörigen sowie die Durchführung eines regelmäßigen Screenings.
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Effektive Behandlungsoptionen stellen insbesondere nichtpharmakologische Maßnahmen wie z. B. körperliche Bewegung dar.
Psychische Folgen einer Krebserkrankung
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Ca. 28 % aller Langzeitüberlebenden leiden unter Angst- und Depressionssymptomen.
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Regelmäßiges Distressscreening muss fester Bestandteil der Nachsorge sein.
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Auf Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen sowie Informations- und Aufklärungsmaterialien sollte frühzeitig hingewiesen und entsprechendes Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden.
„Financial toxicity“ – finanzielle Herausforderungen durch Krebserkrankungen
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Etwa ein Drittel der Krebsbetroffenen in Deutschland befindet sich im erwerbsfähigen Alter.
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Objektive finanzielle Belastungen bestehen aus Zuzahlungen und Einkommensverlusten. Subjektive finanzielle Belastungen können die zusätzliche Folge sein.
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Finanzieller Distress reduziert die Lebensqualität und kann zu einer erhöhten Mortalität führen.
Fokus gynäkologische Onkologie: „symptomorientierte Nachsorge“, Therapiemonitoring und Langzeit-Follow-up
Cancer-Survivorship-Programme
Fazit für die Praxis
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Die individuellen Beschwerden und Schwierigkeiten von Betroffenen nach einer Krebserkrankung sind sehr heterogen und können alle Lebensbereiche umfassen.
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Langzeitüberlebende („cancer survivors“) tragen ein erhöhtes Risiko für körperliche, kognitive, emotionale/psychische und soziale Einschränkungen sowie für die Erkrankung an Zweitmalignomen.
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Während Langzeitfolgen bereits unter der Therapie auftreten, manifestieren sich Spätfolgen erst Monate bis Jahre nach Erstdiagnose bzw. Beendigung der onkologischen Therapie.
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Mit Fokus auf die Selbstwirksamkeit der Betroffenen birgt der ganzheitliche Ansatz der Komplementärmedizin eine Chance für Langzeitüberlebende.
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In der kontinuierlichen Begleitung der Krebspatientin/des Krebspatienten zur Überlebenden/zum Überlebenden sollte jede Patientin/jeder Patient einen individualisierten Survivorship Care Plan (SCP) erhalten.
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Inhalte eines SCP sind Diagnose und bisherige Therapie, Beschreibung möglicher Langzeitfolgen, empfohlene Verlaufskontrollen und gesundheitsförderndes Verhalten wie Sport, Ernährung, Gewichtskontrolle, Nikotinabstinenz und Stressprophylaxe.