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Erschienen in: Manuelle Medizin 4/2023

Open Access 21.09.2023 | Manuelle Medizin | Originalien

Schnittstellenmanagement in der manuellen Medizin

Betriebswirtschaftliche Betrachtung zur Notwendigkeit und Umsetzungsoptionen

verfasst von: Prof. Dr. rer. med. Claudia Winkelmann, Prof. Dr. med. Christina Rogalski

Erschienen in: Manuelle Medizin | Ausgabe 4/2023

Zusammenfassung

Im Rahmen der manuellen Medizin bestehen sowohl innerhalb einer Einrichtung wie Arztpraxis als auch nach außen wie Klinik oder Praxis für Physiotherapie Schnittstellen. Die Patientenversorgung erfolgt häufig als Zusammenarbeit von Facharzt und Physiotherapeut. Dabei kann die Arbeitsteilung in der manuellen Diagnostik und Verordnung durch den Facharzt sowie in der manuellen Therapie durch den Physiotherapeuten bestehen. Immer dann, wenn unterschiedliche Einrichtungen und/oder Sektoren und/oder Personen im Versorgungsprozess beteiligt sind, kommt es an den Grenzen zu Brüchen. Diese Grenzen respektive Schnittstellen gilt es mit Blick auf die optimale, qualitätsgesicherte Patientenversorgung so zu gestalten, dass die Prozesse der Übergänge möglichst reibungslos verlaufen. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive bezieht sich dies auf die drei Faktoren Qualität, Zeit und Kosten. Schnittstellenmanagement zählt zum Qualitätsmanagement. Ziel des Beitrags ist es, praxisrelevante Punkte zum Management vorhandener Schnittstellen zur optimalen Versorgung von Patienten im Rahmen der manuellen Medizin und Therapie herauszuarbeiten. Dabei werden die Fragen, weshalb ein Schnittstellenmanagement erforderlich ist und welche Aspekte für die Praxis relevant sind, sekundärdatenanalytisch untersucht. Wesentliches Ergebnis ist, dass es Best Practice, insbesondere im Kontext des Projektmanagements, gibt. Allerdings sind für jede Einrichtung im Rahmen der Qualitätssicherung die Schnittstellen und deren optimales Management festzulegen. Voraussetzungen sind das Organigramm mit der Definition von Verantwortungsbereichen sowie nachfolgend die Prozessbeschreibungen inklusive Erstellen von Dokumenten. Das Vorgehen nach dem Prinzip „Das haben wir schon immer so gemacht“ weicht vom vorstehenden Vorgehen insofern ab, als dass hier die Struktur den bestehenden Abläufen angepasst wird. Im Rahmen des Qualitätsmanagements, insbesondere im Zuge von Zertifizierungen, kann sich das Hinterfragen und Neuausrichten von Strukturen und Prozessen anbieten.
Hinweise
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Schnittstellenmanagement soll verschiedene Akteure im Versorgungsprozess in die Lage versetzen, effizient zusammenzuarbeiten. Ziel sollte es sein, eine evidenzbasierte und koordinierte Patientenversorgung zu gewährleisten, die die Bedürfnisse des Patienten optimal berücksichtigt. Schnittstellen ergeben sich aus unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, Qualifikationen und Zuständigkeiten. Die sinnvolle Kombination dahingehender Stärken und das Reduzieren der Schwächen in der Zusammenarbeit bedeutet Schnittstellenmanagement. Um Stärken und Schwächen zu identifizieren, nutzt die Betriebswirtschaft die Schnittstellenanalyse im Rahmen der Unternehmensdiagnose.

Effizientes Zusammenarbeiten ist kein Goodwill

Die Leistungserbringung hat unter den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Maßgabe von Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit sowie des Wirtschaftlichkeitsgebots zu erfolgen (§ 70 SGB V, § 12 SGB V). Dies gilt allgemein für die Leistungen zur Gesundheitsversorgung und speziell für die Leistungen im Rahmen der manualmedizinischen sowie manualtherapeutischen Interventionen. Diese Maßgaben werden gestützt von § 137 SGB V „Durchsetzung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses“. Ein Instrument, um auf die Effizienz der Abläufe innerhalb von Praxiseinrichtungen oder Klinikabteilungen sowie einrichtungs- und/oder sektorenübergreifend einwirken zu können, ist das Schnittstellenmanagement als ein Element im Qualitätsmanagement.
Sind verschiedene interne und/oder externe Leistungserbringer gleicher oder unterschiedlicher Berufsgruppen (z. B. Physiotherapeut) und Professionen (z. B. Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin) an der Gesundheitsversorgung eines Patienten beteiligt, sind die Schnittstellen zwischen den beteiligten Leistungserbringern effizient zu gestalten. Effizienz setzt voraus, dass es sich bei der Beurteilung des Versorgungsprozesses um eine effektive (evidenzbasierte) Maßnahme (z. B. manuelle Medizin der Wirbelsäule) handelt (§ 70 SGB V). Für die manualmedizinischen und -therapeutischen Interventionen sind die interne und externe Evidenz bestätigt. Daher werden sie im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gelistet und können u. a. bei Vorliegen der jeweiligen Zusatzqualifikation gegenüber den Versicherungen abgerechnet werden. Die Maßnahmen sind ohne Reibungsverluste an den Schnittstellen zu erbringen. Voraussetzungen hierfür sind u. a.
  • Kenntnis der Schnittstellen,
  • Kooperationsbereitschaft,
  • Kommunikationsfähigkeit sowie
  • Organisationsgeschick.
Neben der fachlichen Expertise sind demnach fachübergreifende und soziale Kompetenzen entscheidend für den Behandlungserfolg. Diese Tatsache spiegelt sich im sog. CanMEDS-Rollenmodell (Rollenmodell der Canadian Medical Education Directives for Specialists) wider, das als Framework für den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) der medizinischen Ausbildung sowie in einigen Studienprogrammen in Deutschland im Kontext der Physiotherapie den Maßstab setzt [4, 17, 27]. Die Relevanz dieser Kompetenzen wird beispielsweise im Logbuch für die Weiterbildung Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin [5] und ebenfalls im Logbuch zur Dokumentation der Weiterbildung gemäß Weiterbildungsordnung über die Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin [6] abgebildet. Hier heißt es im Kontext des Schnittstellenmanagements auszugsweise:
  • die Indikationsstellung, Einleitung und Therapiekontrolle physiotherapeutischer, physikalischer, ergotherapeutischer und logopädischer Therapiemaßnahmen sowie von Rehabilitationstraining,
  • die interdisziplinäre Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik einschließlich der Differenzialindikation und Befundinterpretation bildgebender Verfahren unter Berücksichtigung der Strahlenhygiene [6].
Gemäß § 17 Abs. 2 der Heilmittelrichtlinie kann manuelle Therapie nur dann gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden, wenn der Physiotherapeut eine über die berufsfachschulische Ausbildung hinausgehende Qualifikation nachweist. Weiter heißt es in Anlage 7 zum Vertrag nach § 125 Absatz 1 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der Physiotherapie und deren Vergütung: „Der Teilnehmer soll die Notwendigkeit der Aufstellung eines Rehabilitationsplanes erkennen und die Stellung der verschiedenen Therapeuten im Behandlungsprozess erläutern“ [15]. Mit Interpretationsspielraum kann das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie mit der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten dahingehend gelesen werden [11, 12]. Insbesondere aber im ambulanten Sektor der Physiotherapie sind die Anforderungen zum Schnittstellenmanagement gemäß § 125 Abs. 2 folgendermaßen definiert:
„… 4. der Inhalt der einzelnen Maßnahmen des jeweiligen Heilmittels einschließlich der Regelleistungszeit, die sich aus der Durchführung der einzelnen Maßnahme und der Vor- und Nachbereitung einschließlich der erforderlichen Dokumentation zusammensetzt,
5. Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der Behandlung, der Versorgungsabläufe und der Behandlungsergebnisse, …
6. der Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit dem verordnenden Vertragsarzt, …
8. Maßnahmen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und deren Prüfung …“ [13].
Effektives und effizientes Handeln im Gesundheitsversorgungsprozess ist keine Kann-, sondern eine Muss-Anforderung. Die Schnittstellen und deren möglichst reibungsloses Management stehen im Fokus der Betrachtungen, da die Überwindung der Schnittstellen per se risikobehaftet und fehleranfällig ist [21]. So kann es beispielsweise zu behandlungsrelevanten Informationsmängeln, Verzögerungen im Prozess oder Missverständnissen der beteiligten Personen kommen [20, 24].

Schnittstellen und ihre Herausforderungen

Unter Schnittstellen (Interfaces) werden Punkte bzw. Grenzen als Verbindungen zwischen Systemen oder Systembestandteilen verstanden, die als Folge von Kooperation und Arbeitsteilung resultieren [1, 22]. Es geht um Grenzen an Sektoren, Berufsgruppen (inkl. Personen) oder Einrichtungen und Instanzen (Abb. 1). An diesen Grenzen werden Informationen (z. B. als Übergabe, Heilmittelverordnung oder klinischer Auftrag) ausgetauscht. Interne unterscheiden sich von externen Schnittstellen. Allerdings ist diese Differenzierung aufgrund der vielfältigen Konstrukte praktisch schwierig. Gleichzeitig aber ist die Kenntnis wichtig, da Schnittstellen nach außen (betrifft auch intern-externe Schnittstellen) eine geringere Kontrolle implizieren, was z. B. in Diskussionen zum Datenschutz zum Ausdruck kommt. Intern-intern bezieht sich auf Schnittstellen innerhalb einer Organisationseinheit (z. B. Praxis). Intern-extern bezieht sich auf unterschiedliche Abteilungen innerhalb einer Einrichtung (z. B. Klinik mit verschiedenen Fachorganisationseinheiten), die interagieren. Extern bezieht sich auf unterschiedliche Sektoren auch innerhalb einer Einrichtung (z. B. stationärer Bereich mit einer ambulanten Versorgungseinheit), unterschiedliche Einrichtungen, Trägerschaften, Berufsgruppen, Personen.
Ziel ist es, die jeweiligen Untersuchungs- und Behandlungsergebnisse (z. B. Therapiebericht) ohne Informations- und Zeitverlust bzw. negative Beeinflussung des Behandlungsergebnisses zu übergeben. Schnittstellen sind insofern fehleranfällig, da hier i. d. R. mindestens zwei Personen aufeinandertreffen. Die Komplexität steigt mit der Anzahl der Schnittstellen und wenn die Personen in unterschiedlichen Systemen (z. B. Praxis, Klinik) und mit unterschiedlichen Vorstellungen, Anforderungen und Erwartungen agieren, da innerhalb des Wertschöpfungsprozesses (z. B. Behandlungsprozess von der Aufnahme bis zur Entlassung eines Patienten) jede involvierte Person auf dem von einer anderen Person erarbeiteten Ergebnis aufbaut ([2]; Abb. 2).
Herausfordernd wird es, wenn das Ergebnis nicht den Erwartungen der übernehmenden Person entspricht, insbesondere durch fehlende Dokumente, unzureichende Kenntnis der Kompetenzen der Beteiligten, ungenügende Ergebnisdiskussion mit gemeinsamer Therapieplanung, fehlende Standards inkl. Definition der Arbeits- und Fachsprache, Egoismen, Motiv‑, Ressourcen- und Verteilungskonflikte [16] Die Teilschritte der manualmedizinischen Versorgung (primäre Aktivität) sind insofern in den Gesamtkontext einzuordnen, wobei zur sog. Prozesslandschaft die Führungs- und Unterstützungsprozesse (sekundäre Aktivitäten) zählen (Abb. 3), und die Prozesseigner festzulegen [18].

Maßnahmen basieren auf Schnittstellenanalyse

So wie die medizinische Behandlung die Untersuchung und Diagnosestellung voraussetzt, liefert in der Betriebswirtschaft die Unternehmensdiagnose mit dem Untersuchen der Strukturen und Prozesse einen Überblick, welche
  • Schnittstellen im Prozess existieren (z. B. Beschreibung der Schnittstellen im Wertschöpfungsprozess, Vorgesetzte der Schnittstellen, Unternehmenskultur der Schnittstellen),
  • Richtung die Kommunikationsbeziehung hat (z. B. einseitig, zweiseitig),
  • Schnittstellen zwingend erforderlich versus „nice to have“ sind (z. B. Relevanz in der evidenzbasierten Versorgung mit sich daraus ergebendem Lösungsansatz der Schnittstellenreduzierung),
  • Probleme und Stärken bislang bestehen (diesbezügliche Befunde werden z. B. der Patientenbefragung oder Erhebungen zur Mitarbeitendenzufriedenheit entnommen),
  • Herausforderungen künftig entstehen können (z. B. Risikobewertung).
Die Schnittstellenanalyse sollte sich daher auf die in Tab. 1 aufgeführten Aspekte konzentrieren [20, 26, 27].
Tab. 1
Wesentliche Gegenstände im Rahmen der Schnittstellenanalyse
Untersuchungsgegenstand
Typisches Beispiel
Kommunikation
Es wird untersucht, wie die Kommunikation zwischen Medizinern und Physiotherapeuten stattfindet. Dazu wird bewertet, ob die Informationen ausreichend, klar und rechtzeitig übermittelt werden, um eine nahtlose Zusammenarbeit zu ermöglichen
Informationsaustausch
Es wird überprüft, wie der Austausch von Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten, Diagnosen, Behandlungspläne und Fortschritte erfolgt. Dies kann schriftlich (z. B. Berichte, Patientenakten) und mündlich (z. B. persönliche Gespräche, Telefonate) geschehen
Zusammenarbeit und Koordination
Die Schnittstellenanalyse untersucht, wie gut Mediziner und Physiotherapeuten zusammenarbeiten, um ihre Behandlungsansätze zu koordinieren und einen gemeinsamen Behandlungsplan für den Patienten zu erstellen
Gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen
Es wird überprüft, ob es gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen für Mediziner und Physiotherapeuten gibt, sodass beide Gruppen über aktuelle Entwicklungen in der manuellen Medizin informiert und ihre Behandlungsansätze auf dem neuesten Stand sind
Schnittstellenprobleme und Lösungen
Die Analyse identifiziert mögliche Probleme oder Engpässe in der Zusammenarbeit und leitet Lösungen ab, um die Schnittstellenkommunikation und -koordination zu verbessern
Patientenfeedback
Das Feedback der Patienten wird in die Schnittstellenanalyse einbezogen, um zu verstehen, wie sie die Zusammenarbeit wahrnehmen und ob sie Verbesserungspotenzial sehen
Durch eine gründliche Schnittstellenanalyse können Hindernisse und Engpässe identifiziert werden, die möglicherweise die Qualität (Leistung), Zeit (Dauer) und Kosten der Patientenversorgung beeinträchtigen. Auf Grundlage der Analyse und geschaffenen Transparenz können gezielte Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ergriffen werden, um die Zusammenarbeit zu verbessern, die Kommunikation zu optimieren und schließlich den Therapieerfolg gemeinsam zu erzielen [20, 26, 27].

Digitale Transformation, Kooperation und Kommunikation sind „bottlenecks“

Da die manuelle Medizin durch verschiedene Leistungserbringer realisiert wird, ist der Leistungsprozess je nach Perspektive für den anderen beteiligten Akteur ein sog. ausgelagerter Prozess bzw. handelt es sich gemäß DIN EN ISO 9001 (DIN – Deutsches Institut für Normung, EN – Europäische Norm, ISO – International Organization for Standardization) um ausgegliederte Prozesse [23]. Diese Prozesse finden außerhalb der eigenen Organisationseinheit statt. Es entstehen besondere Anforderungen, da beide Seiten sicherstellen müssen, dass Patientenanforderungen sowie gesetzliche und behördliche Vorgaben erfüllt werden. Je höher der Einfluss des ausgelagerten Prozesses auf die Qualität ist, desto mehr Lenkungsaktivitäten sind notwendig. Um zu gewährleisten, dass alle vor- oder nachgelagerten Aktivitäten (Abb. 4) in der Qualität stattfinden, dass ein optimales Therapieergebnis entsteht, ist es sinnvoll, diese Schnittstellen tiefgründig zu analysieren und die Übergabe möglichst präzise im Hinblick auf Kommunikation und Information zu definieren, zu standardisieren und zu überwachen.
Gemäß DIN EN ISO bestehen unterschiedliche Anforderungen z. B. zur Beurteilung, Auswahl, Leistungsüberwachung und zur Neubeurteilung von externen Anbietern. Ziel ist es, Kriterien zu bestimmen, die die Fähigkeit der externen Leistungserbringer einschätzen, die Dienstleistung, sei es die radiologische Diagnostik oder die manuelle Therapie und medizinische Trainingstherapie, gemäß den eigenen Anforderungen zu erbringen. Ebenso soll risikobasiertes Denken bezüglich der externen Dienstleistung bei der Schnittstellenanalyse stattfinden [7, 23]. Mögliche Maßnahmen zur Absicherung von Schnittstellen sind:
  • Auswahl der Kooperationspartner
  • Kooperationsvereinbarungen mit Aussagen zur Qualität als harte Faktoren
  • Bereitzustellende Informationen, ggf. Intervalle bezüglich Wartezeiten auf Termine
  • Austausch zu Informationen über eventuelle Prozessschwächen, Patientenrückmeldungen
  • Austausch über Outcome (Behandlungserfolge, Therapieergebnisse), Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen
Damit den an der Behandlung beteiligten Akteuren in der ambulanten kurativen Versorgung die relevanten Informationen zum richtigen Zeitpunkt vorliegen, sind die in Tab. 2 aufgeführten Inhalte für die Informationsübergabe vorzubereiten [9, 10].
Tab. 2
Schnittstellenrelevante Informationen entsprechend Heilmittelverordnung Muster 13
Inhalte gemäß Heilmittelrichtlinie
Weitere relevante Informationen
Name, Vorname und Geburtsdatum des Patienten
Ausstellungsdatum der Verordnung
Angaben zur gesetzlichen Krankenversicherung
Angaben zum Leistungserbringer (Bezeichnung, Institutionskennzeichen)
Diagnose (ICD-Code, Freitext)
Leitsymptomatik
Heilmittel (manuelle Therapie, Therapiefrequenz, Dauer)
Dringlichkeit
Stempel
Unterschrift des verordnenden Arztes
Therapieziele
Ansprechpartner neben verordnendem Arzt
Erreichbarkeit des Patienten
Öffnungszeiten
Wartezeit auf Termin, wenn nicht dringlich
Protokoll zum Aufklärungsgespräch
Übergabe von Patienteninformationsmaterial
etc.
ICD International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
In der stationären Versorgung existiert in Deutschland kein einheitliches Muster. Daher werden hausintern Formblätter (auch als klinischer Auftrag über das Krankenhausinformationssystem) entwickelt [28].
Feste Kooperationspartner führen aufgrund der Lernkurve zu größtmöglicher Schnittstellensicherheit, wobei parallel das Risiko von Betriebsblindheit zu kalkulieren ist [19]. Zudem ist nach § 4 Abs. 6 Rahmen V „… bei allen vom Krankenhaus im Rahmen des Entlassmanagements vorgenommenen Verordnungen das Recht des Patienten auf freie Wahl des Leistungserbringers zu beachten. Daraus folgt, dass die Krankenhäuser ihren Patienten keine bestimmten Leistungserbringer, bei denen die Verordnung eingelöst werden könnte, empfehlen dürfen … Entsprechende Vereinbarungen oder Absprachen zwischen Krankenhäusern und Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern veranlasster Leistungen, die auf eine Zuweisung von Patienten abzielen, wären als unzulässig abzulehnen …“ [14].
Die Übergabe von Informationen zwischen den zahlreichen, z. T. auch wechselnden Behandlungspartnern erfordert eine gewisse Disziplin im Kontext der Informationsweitergabe [26]. Die Vielzahl möglicher Informationswege zeigt Abb. 5.
Aufgrund des zögerlichen Voranschreitens der Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Langzeitprojekte wie beispielsweise der elektronischen Patientenakte und des Aufbaus der Telematikinfrastruktur sind schnelle elektronische Lösungen zur optimierten Informationsübergabe an den Schnittstellen nicht erwartbar [8]. Checklisten können übergangsweise und ergänzend zur Verordnung sinnvolle Hilfsmittel darstellen [27].

Schnittstellen optimal organisieren und therapiezielorientiert steuern

Im Zuge des Schnittstellenmanagements werden verschiedene Akteure in die Lage versetzt, entlang des Versorgungsprozesses effizient zusammenzuarbeiten. Die sinnvolle Kombination der Stärken und das Reduzieren der Schwächen in der Zusammenarbeit bedeutet Schnittstellenmanagement [25]. In der manuellen Medizin kann dies nachfolgend beschriebene Maßnahmen umfassen.
Interdisziplinäre und interprofessionelle Kommunikation.
Eine offene und regelmäßige Kommunikation zwischen den beteiligten Medizinern unterschiedlicher Fachgebiete (wie physikalische und rehabilitative Medizin, Orthopädie, Traumatologie, Radiologie), Physiotherapeuten, Experten mit einschlägiger Zusatzqualifikation ist essenziell, um Informationen über Diagnosen, Behandlungspläne und Fortschritte des Patienten auszutauschen.
Gemeinsamer Behandlungsplan.
Die verschiedenen Experten sollten gemeinsam einen Behandlungsplan erarbeiten, der die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Patienten berücksichtigt. Jeder Experte bzw. jede Expertengruppe kann die jeweilige Expertise nutzen, um den Patienten bestmöglich zu unterstützen.
Dokumentation.
Eine einheitliche Dokumentation von Diagnosen, Therapien und Fortschritten ist bedeutsam, um eine Transparenz über den Gesundheitszustand des Patienten und den Verlauf der Behandlung zu gewährleisten. Dies erleichtert die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen den Akteuren.
Weiterleitung und Empfehlungen.
Falls erforderlich, kann das Schnittstellenmanagement auch die Überweisung des Patienten an andere spezialisierte Fachärzte oder medizinische Einrichtungen beinhalten, um eine umfassende Versorgung sicherzustellen.
Schulung und Fortbildung.
Die regelmäßige Fortbildung der beteiligten Akteure ist wichtig, um sicherzustellen, dass alle mit den neuesten Entwicklungen und Techniken in der manuellen Medizin vertraut sind und die gemeinsamen Patienten bestmöglich behandeln können.
Lebensbegleitendes Lernen.
Insbesondere heben sich die Prozesse ab, die erstmalig ablaufen. Für neu modellierte Prozesse ist eine entsprechende Lernkurve zu planen [3]. Einmalig auftretende Prozesse verlangen eine nichthierarchische Koordination, Erfassung und Informationsweitergabe.
Schnittstellenmanagement im Rahmen der manuellen Medizin und Therapie bezieht sich auf die Untersuchung und Bewertung der Interaktionen und Kommunikationsprozesse. Der zu beschreibende Versorgungsprozess dient dem Kenntnisgewinn zu internen Strukturen und Abläufen und erfordert in jedem Fall durch die Beteiligung intern-externer Instanzen (weitere Fachorganisationseinheit im Klinikum) oder externer Akteure auch deren Motivation. Wesentlich ist, dass nicht die Einrichtungen kooperieren, sondern Personen. Insofern gilt es abzuklären, wer Entscheidungen trifft, Weisungen erteilt und Verantwortung übernimmt.

Fazit für die Praxis

Schnittstellenmanagement ist eine Muss-Anforderung als Teil des Qualitätsmanagements. Es gibt keine Blaupause, aber Best Practice:
  • Der Versorgungsprozess muss mit primären und sekundären Aktivitäten abgebildet werden.
  • Schnittstellen entlang des Prozesses sind zu identifizieren und zu beschreiben.
  • Interne Schnittstellen lassen sich i. d. R. besser steuern als Schnittstellen zu anderen Instanzen oder Einrichtungen.
  • Alle Schnittstellen sind auf ihre Relevanz zu überprüfen und ggf. zu reduzieren.
  • Regelungen (z. B. Standards, Verträge, Vereinbarungen) müssen getroffen und kontrolliert werden (z. B. Qualitätszirkel), insbesondere bei intern-externen oder externen Schnittstellen.
  • Aus Stärken ist das weitere Vorgehen abzuleiten.
  • Für identifizierte Probleme (Schwächen), die sich u. a. in Auswertungen von Patienten- oder Mitarbeitendenbefragungen als Unzufriedenheit, Wartezeit, Kompetenzgerangel, Ressourcenkonflikte etc. zeigen, sind geeignete Maßnahmen zu entwickeln, umzusetzen und ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Winkelmann und C. Rogalski geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Greiling M, Dudek M (2009) Schnittstellenmanagement in der Integrierten Versorgung. Eine Analyse der Informations- und Dokumentationsabläufe, 1. Aufl. Kohlhammer, StuttgartCrossRef Greiling M, Dudek M (2009) Schnittstellenmanagement in der Integrierten Versorgung. Eine Analyse der Informations- und Dokumentationsabläufe, 1. Aufl. Kohlhammer, StuttgartCrossRef
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Zurück zum Zitat Motzel E (2006) Projektmanagement Lexikon. Begriffe der Projektwirtschaft von ABC-Analyse bis Zwei-Faktoren-Theorie. Wiley-VCH, Weinheim Motzel E (2006) Projektmanagement Lexikon. Begriffe der Projektwirtschaft von ABC-Analyse bis Zwei-Faktoren-Theorie. Wiley-VCH, Weinheim
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Zurück zum Zitat Norm DIN EN ISO 9001 (2015) Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen. Beuth, Berlin Norm DIN EN ISO 9001 (2015) Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen. Beuth, Berlin
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Zurück zum Zitat Winkelmann C (2014) Stärken stärken – aber welche? Die SWOT-Analyse als Konzept zur Beurteilung von Ausgangssituation und Handlungsbedarf. Z F Physiother 66(1):58–61 Winkelmann C (2014) Stärken stärken – aber welche? Die SWOT-Analyse als Konzept zur Beurteilung von Ausgangssituation und Handlungsbedarf. Z F Physiother 66(1):58–61
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Zurück zum Zitat Winkelmann C, Helmer-Denzel A (2022) Zielgerichtete Kommunikation. Von A wie Anstoß bis Z wie Zwei-Spalten-Methode, 1. Aufl. Hogrefe, GöttingenCrossRef Winkelmann C, Helmer-Denzel A (2022) Zielgerichtete Kommunikation. Von A wie Anstoß bis Z wie Zwei-Spalten-Methode, 1. Aufl. Hogrefe, GöttingenCrossRef
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Zurück zum Zitat Winkelmann C, Rogalski C (2021) BWLight für Gesundheitsberufe. Plan-Do-Check-Act für Klinik und Praxis, 1. Aufl. Hogrefe, GöttingenCrossRef Winkelmann C, Rogalski C (2021) BWLight für Gesundheitsberufe. Plan-Do-Check-Act für Klinik und Praxis, 1. Aufl. Hogrefe, GöttingenCrossRef
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Zurück zum Zitat Winkelmann C, Suppes K‑DE (2023) Arbeitsorganisation und -abläufe. Arbeiten im Akutkrankenhaus. In: Kolster BC, Gesing V, Winkelmann C et al (Hrsg) Handbuch Physiotherapie. Umfassend, aktuell, evidenzbasiert, praxisnah, 2. Aufl. KVM, Berlin, S 3–7 Winkelmann C, Suppes K‑DE (2023) Arbeitsorganisation und -abläufe. Arbeiten im Akutkrankenhaus. In: Kolster BC, Gesing V, Winkelmann C et al (Hrsg) Handbuch Physiotherapie. Umfassend, aktuell, evidenzbasiert, praxisnah, 2. Aufl. KVM, Berlin, S 3–7
Metadaten
Titel
Schnittstellenmanagement in der manuellen Medizin
Betriebswirtschaftliche Betrachtung zur Notwendigkeit und Umsetzungsoptionen
verfasst von
Prof. Dr. rer. med. Claudia Winkelmann
Prof. Dr. med. Christina Rogalski
Publikationsdatum
21.09.2023
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Manuelle Medizin
Erschienen in
Manuelle Medizin / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0025-2514
Elektronische ISSN: 1433-0466
DOI
https://doi.org/10.1007/s00337-023-00998-z

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