Medizinstudierende und Hebammenschüler:innen beeinflussen im späteren Beruf die Impfentscheidungen ihrer Patient:innen. Bereits während der Ausbildung haben sie Patientenkontakt. Zur Patientensicherheit und zum Selbstschutz ist ein vollständiger Impfstatus als Schutz vor impfpräventablen Erkrankungen für medizinisches Personal unerlässlich. Studien zum Impfstatus und -verhalten von Medizinstudierenden liegen vor, die Datenlage für Hebammenschüler:innen ist jedoch unzureichend.
Fragestellung
Gibt es Unterschiede bezüglich des Impfstatus sowie der Bewertung der Impfnotwendigkeit zwischen Medizinstudierenden und Hebammenschülerinnen? Sind die Einstellungen zu der jeweiligen Indikation und der angegebene Impfstatus kongruent?
Methoden
Mittels Fragebogens „Health Survey 2018“ wurde untersucht, ob zwischen Medizinstudierenden und Hebammenschülerinnen Unterschiede im Impfstatus und in der Bewertung der Impfnotwendigkeit von jeweils 13 Impfindikationen bestehen. Daten von 177 Medizinstudierenden und 80 Hebammenschülerinnen aus Sachsen (Responserate: je 67 % und 100 %) wurden mittels χ2-Test und logistischer Regression analysiert.
Ergebnisse
Der berichtete vollständige Impfstatus für Mumps, Masern und Röteln unterschied sich nicht signifikant zwischen Hebammenschülerinnen und Medizinstudierenden (88,6–91,1 % vs. 95,4–96,0 %), bei anderen Impfindikationen gab es signifikante Unterschiede (z. B. Tetanus: 39,2 % vs. 76,4 %; Pertussis: 40,5 % vs. 75,7 %; p < 0,001). Signifikant mehr Hebammenschülerinnen als Medizinstudierende gaben an, dass Impfungen nicht notwendig/gefährlich seien (z. B. Röteln: 7,8 % vs. 0 %; HPV: 30,1 % vs. 2,9 %; Influenza: 62,7 % vs. 21,5 %; p < 0,001).
Schlussfolgerung
Mehr Hebammenschülerinnen als Medizinstudierende berichteten einen unzureichenden Impfstatus und bewerteten Impfungen als nicht notwendig/gefährlich, was aufgrund des Kontakts und der Beratung werdender Mütter und Neugeborenen besonders problematisch ist. Für beide Kohorten besteht dringender Sensibilisierungs- und Handlungsbedarf bereits während der Ausbildung, des Studiums und der Weiterbildung.
Abkürzungen
MMR
Mumps, Masern, Röteln
RKI
Robert-Koch-Institut
SIKO
Sächsische Impfkommission
STIKO
Ständige Impfkommission
Hintergrund
Problemstellung
Bereits während ihrer Ausbildung haben Medizinstudierende und Hebammenschüler:innen Patientenkontakt und in ihrem späteren Beruf einen bedeutenden Einfluss auf Impfentscheidungen ihrer Patient:innen. Um sich selbst und ihre Patient:innen vor impfpräventablen Erkrankungen zu schützen, ist ein vollständiger Impfstatus für zukünftiges medizinisches Personal unerlässlich. Medizinstudierende und Hebammenschüler:innen haben Kontakt zu besonders vulnerablen Patientengruppen wie Schwangeren oder Neugeborenen. Hebammen haben einen starken Einfluss auf das Impfverhalten der von ihnen betreuten Eltern – und damit auch auf den Impfstatus der Neugeborenen und Kinder [1, 2]. Während es bereits einige Studien zum Impfstatus und der Impfeinstellung Medizinstudierender gibt, ist die Datenlage für Hebammen in Ausbildung noch unzureichend. Die vorliegende Analyse stellt den Impfstatus und die Impfeinstellungen der Hebammenschüler:innen und Medizinstudierenden dar.
Impfstatus und -einstellung bei Medizinstudierenden
Es existieren mehrere internationale Studien zu Impfstatus und -einstellung bei Medizinstudierenden – im deutschsprachigen Raum gibt es hauptsächlich regionale Studien, bundesweite Untersuchungen fehlen. So wird beispielsweise in Dresden das Thema seit über 20 Jahren untersucht [3]. Klewer und Kugler analysierten im Jahr 2000 den Impfstatus von Dresdner Human- und Zahnmedizinstudierenden in Dresden. Der Impfstatus der untersuchten Studierenden wurde dabei als suboptimal zusammengefasst, wenn auch etwas besser als der Impfstatus der altersgleichen Allgemeinbevölkerung [3, 4]. In einer Studie von Kümmerle [5] wurden Impfstatus und -einstellungen Medizinstudierender im Vergleich zu Studierenden anderer Fachrichtungen (Soziologie, Architektur und Physik) untersucht. Dabei zeigte sich bei allen neun untersuchten Impfungen, dass – im Vergleich zu anderen Studiengängen – signifikant mehr Medizinstudierende einen vollständigen Impfstatus angaben (χ2-Test: z. B. p < 0,001 für einen vollständigen Pertussisimpfstatus). Die Fachrichtung Medizin stellte in Regressionsanalysen einen starken Prädiktor für einen vollständigen Impfstatus (Medizinstudierende im Vergleich zu anderen Studierenden: OR = 12,67) und für die Einstellung, dass Impfungen absolut notwendig seien, dar.
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Voigt et al. untersuchten mittels einer multizentrischen Querschnittstudie die Beurteilung der Impfnotwendigkeit durch deutsche Medizinstudierende [6]. Es wurden relevante Unterschiede in der Bewertung der absoluten Notwendigkeit von Impfungen je nach Impfindikation aufgezeigt. So gaben 91 % der befragten Studierenden an, die Tetanusimpfung als absolut notwendig anzusehen; für die Impfindikation Poliomyelitis und die Impfindikationen Mumps, Masern, Röteln (MMR) waren es 85 % und ca. 75 %. Am niedrigsten lag die Zustimmung zur Notwendigkeit von Impfungen bei den Indikationen Hepatitis A sowie Pertussis mit jeweils ca. 68 % und 71 %. Ein geringer Teil (< 2%) der befragten Studierenden hielt Impfungen für gefährlich oder unnötig, insbesondere die Impfungen gegen Masern und Pertussis wurden als gefährlich angesehen (1,2 % der Gesamtgruppe; [6]).
Impfstatus und -einstellung bei Hebammenschüler:innen
Der eigene Impfstatus der Beratenden kann ein Impfgespräch beeinflussen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) führte 2007 während des Deutschen Hebammenkongresses eine Querschnittstudie zu selbstberichtete Impfquoten durch, um zu eruieren, welche Impfquoten und Einstellungen zum Impfen vorlagen. Mit einer Influenzaimpfquote von 10 % lagen die befragten Hebammen und Hebammenschüler:innen deutlich unter dem Durchschnitt der deutschen Allgemeinbevölkerung. Die Impfquote für Hepatitis B lag mit 69 % relativ hoch, war jedoch nicht den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) entsprechend. Gegen Pertussis waren nur 18 % der befragten Hebammen und Hebammenschülerinnen geimpft. Angesichts der Schwere dieser Viruserkrankung, insbesondere auch für Säuglinge und Kinder, stellte dies eine unzureichende Impfquote dar [7].
Zudem befürworteten 80 % der befragten Hebammen die Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis für Kinder unter 2 Jahren [8]. Deutlich geringer fiel die Zustimmung für die Impfungen gegen Pertussis, Pneumokokken, Meningokokken Typ C sowie gegen Haemophilus Typ B aus (die Zustimmungsraten liegen zwischen 25 % und 30 %), obwohl gerade bei diesen Infektionskrankheiten bei Säuglingen ein besonders schwerer Verlauf eintreten kann. Befragt zu Pneumokokken und Meningokokken Typ C wählten 25 % der Hebammen die Antwortmöglichkeit „weiß nicht“. Jedoch sind diese Impfungen seit 2006 von der STIKO für Säuglinge/Kinder empfohlen. Die ebenfalls von der STIKO empfohlenen Impfungen gegen MMR, Varizellen und Hepatitis B erreichten auch recht geringe Zustimmungsraten (ca. 70, 25 % und 40 %).
In einer kanadischen Publikation befürworteten 56 % der befragten Hebammen Impfungen generell, während sich gut 27 % unentschlossen äußerten oder nicht zustimmten, dass Impfungen generell effektive und gesicherte Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten seien [9].
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Ziel der Studie
Bisherige Studien zeigen, dass der Impfstatus von Medizinstudierenden und Hebammenschüler:innen deutlich von den STIKO-Empfehlungen abweicht [3, 10]. Bei einem systematischen Review von Gadsden [11] im Jahr 2018 zeigte sich, dass Medizinstudierenden einen etwas vollständigeren Impfstatus, einen besseren Wissensstand zum Thema Impfungen sowie eine höhere Impfmotivation als Hebammenschüler:innen aufweisen. Es wurde bisher noch keine Studie in Deutschland veröffentlicht, die diese beiden Gruppen im direkten Vergleich darstellt.
Auch die Einstellungen der oben genannten Kohorten zum Impfen können relevant für die Patientensicherheit sein. Es gibt Hinweise, dass die Einstellung zu bzw. die Bewertung einer Impfung einen Einfluss auf das individuelle Impfverhalten bei Medizinstudierenden hat [8, 11, 12]. Andere Untersuchungen zeigten, dass eine positive Einstellung zum Impfen nicht zwingend mit einem vollständigen Impfstatus verbunden sei; vollständig Geimpfte vertraten jedoch signifikant häufiger die Einschätzung, dass Impfungen wichtig seien [5]. Da die Impfeinstellung durch Impfkampagnen und Wissensvermittlung veränderbar ist, ist das Verhältnis von Impfeinstellung und Impfverhalten gerade bei den hier untersuchten Kohorten der Studierenden und Auszubildenden interessant, jedoch bisher noch nicht untersucht.
Um diese Informationslücken zu schließen, soll in der aktuellen Studie untersucht werden: 1. ob es Unterschiede bezüglich des selbstberichteten Impfstatus zwischen Medizinstudierenden und Hebammenschülerinnen gibt, 2. ob es Unterschiede in der Bewertung der Impfnotwendigkeit zwischen den Dresdner Medizinstudierenden und den befragten Hebammenschülerinnen gibt und 3. ob die Einstellungen zu der jeweiligen Indikation und der angegebene Impfstatus kongruent sind.
Material und Methoden
Teilnehmer wurden im Sommer 2018 zu einer anonymen und freiwilligen Befragung mittels eines 10-seitigen Paper-pencil-Fragebogens „Health Survey“ eingeladen. Die Zuhilfenahme des eigenen Impfausweises war für die Untersuchung nicht erlaubt. Medizinstudierende, die sich zum Befragungszeitpunkt im 10. Semester befanden, wurden an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus befragt. Nach Abschluss des 10. Semesters ist für die Studierenden die theoretische, universitäre Ausbildung beendet, es schließt sich das Praktische Jahr an. Hebammenschülerinnen, die sich im 3. und damit letzten Ausbildungsjahr befanden, wurden an der Medizinischen Berufsfachschule des Universitätsklinikums Leipzig, der Hebammenschule der Carus Akademie der Medizinischen Fakultät Dresden sowie der Medizinischen Berufsfachschule des Klinikum Chemnitz zu der Studienteilnahme eingeladen.
Das zustimmende Votum der zuständigen Ethikkommission an der TU Dresden (Aktenzeichen EK 15012014) lag bereits vor.
Analyse/Auswertung
Mittels SPSS 24 (IBM Deutschland, Ehnigen) wurden Daten von 177 Medizinstudierenden und 80 Hebammenschülerinnen aus Sachsen (Responserate: je 67 % und 100 %) analysiert.
Es erfolgten deskriptive Darstellungen der Häufigkeiten der normalverteilten Daten, zur Untersuchung der Zusammenhänge wurden zusätzlich χ2-Tests und logistische Regressionen durchgeführt.
Ergebnisse
Stichprobenbeschreibung
Die Stichprobe von Medizinstudierenden im 10. Semester und von Hebammenschülerinnen im 3. Ausbildungsjahr umfasste insgesamt 257 Personen. Zu der Kohorte der untersuchten Dresdner Medizinstudierenden des 10. Semesters gehörten 177 Personen, darunter 118 weibliche und 56 männliche Medizinstudierende. 3 Studierende machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht. Der Altersmedian lag bei 25 (Altersspanne: 22–41) Jahren.
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An der Medizinischen Berufsfachschule des Universitätsklinikums Leipzig beantworteten 15 Schülerinnen den Fragebogen. Von der Hebammenschule der Carus Akademie der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden nahmen 45 Schülerinnen an der Studie teil. Von der Medizinischen Berufsfachschule des Klinikum Chemnitz nahmen 20 Hebammenschülerinnen der an dem Health Survey 2018 statt. Der Altersmedian aller befragten Hebammenschülerinnen lag bei 21 (Altersspanne: 17–57) Jahren.
Impfstatus
Der berichtete vollständige Impfstatus für MMR unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (95–96 % bei Medizinstudierenden; 89–91 % bei Hebammenschülerinnen). Statistisch signifikante Unterschiede des Impfstatus gab es beispielsweise bei der Impfung gegen Tetanus (76 % vs. 40 %) und Pertussis (76 % vs. 41 %; p < 0,001; s. Abb. 1).
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Die höchsten Impfquoten in der Gesamtstichprobe wurden bei den Impfindikationen MMR angegeben (ca. 94 %; z. B. Masern: 95 % der Medizinstudierenden, 89 % der Hebammenschülerinnen). Zirka 35 % aller Befragten gaben an, gegen Tuberkulose geimpft zu sein. Influenza stellte sich als Impfung mit der niedrigsten selbstberichteten Impfrate heraus: 65 % aller Befragten gaben an, nicht gegen Influenza geimpft zu sein, weitere 10 % machten keine genauen Angaben.
Bewertung der Impfnotwendigkeit
Signifikant mehr Medizinstudierende als Hebammenschülerinnen wiesen eine höhere Zustimmung zur Notwendigkeit einer Impfindikation auf (p < 0,0001): So fanden sich für die Impfungen gegen MMR, Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis bei den Studierenden Zustimmungswerte zwischen 96 % und 97,7 % und bei Hebammenschülerinnen fand sich mit 65 % die höchste Zustimmungsrate für Tetanus (p < 0,001). Keine der befragten Studierenden und Schülerinnen gab an, die MMR-Impfungen für gefährlich oder unnötig zu halten. Die Impfungen gegen Hepatitis A und B wurden von Medizinstudierenden und Hebammenschülerinnen mit 90–100 % als absolut oder meist notwendig eingeschätzt. Medizinstudierende bewerteten mehrere Impfindikationen ähnlich positiv: So waren sie beispielsweise – neben den Hepatitisimpfungen – auch bei Impfungen gegen Meningokokken und HPV zu 75–79 % der Meinung, dass die Impfungen absolut notwendig seien, weitere ~ 20–25 % hielten sie für meist notwendig.
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Insgesamt gaben Hebammenschülerinnen signifikant häufiger als Medizinstudierende an, dass Impfungen nicht notwendig/gefährlich seien (z. B. Röteln: 8 % vs. 0 %; HPV: 30 % vs. 3 %; Influenza: 63 % vs. 22 %; p < 0,001).
Die Tab. 1 stellt neben oben genannten Indikationen weitere vakzinationsspezifische Ergebnisse dar.
Kongruenz zwischen Impfstatus und Bewertung der Impfnotwendigkeit
Bei vielen Impfindikationen zeigte sich eine signifikante Kongruenz zwischen Impfstatus und Bewertung der Impfnotwendigkeit: 98 % der Befragten mit selbstberichtet vollständigem MMR-Impfstatus gaben an, die Impfungen auch für absolut notwendig zu erachten. Befragte, die eine fehlende MMR-Immunisierung angaben, hielten die MMR-Impfungen auch für meist nicht notwendig oder unnötig/gefährlich (χ2-Test: N = 3 von 250, p = 0,022). Bei der Tetanusimpfung waren 60 % der unvollständig/nicht Geimpften, aber nur 2 % der selbstberichtet vollständig Geimpften der Meinung, dass die Impfung meist nicht notwendig oder unnötig/gefährlich sei (N = 250, p < 0,001).
Diskussion
Fast 90 % der Hebammenschülerinnen und 95 % der Medizinstudierenden gaben in der vorliegenden Untersuchung einen vollständigen MMR-Impfstatus an. In vorhergehenden Studien mit Medizinstudierenden wurden deutlich geringere MMR-Impfquoten ermittelt, z. B. berichteten 2012 nur 66 % der Dresdner Medizinstudierenden einen vollständigen MMR-Impfstatus [3]. In der vorliegenden Untersuchung zeichnet sich also eine positive Entwicklung ab. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Dresdner Medizinstudierenden seit 2015 verpflichtet sind, vor Beginn von Tätigkeiten mit Patient:innenkontakt dem Betriebsärztlichen Dienst der Medizinischen Fakultät vollständige Immunisierungen gegen MMR, Varizellen, Hepatitis A und B, Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis nachzuweisen; für die Impfindikationen MMR sind die selbstberichteten Impfquoten der aktuellen Studie dementsprechend adäquat und den STIKO-Empfehlungen entsprechend. Die selbstberichtete Impfrate von ca. 35 % bei der Impfindikation Tuberkulose scheint vor dem Hintergrund der Empfehlungsaufhebung im Jahr 1998 recht hoch – einige Befragte sind vorher geboren; zudem fordern mehrere Staaten bei Langzeitaufenthalten (z. B. im Rahmen von Schüleraustauschprogrammen oder Studienaufenthalten) einen vollständigen Tuberkuloseimpfstatus [13]. Die im Unterschied zu Studentinnen signifikant niedrigere HPV-Impfquote bei männlichen Medizinstudierenden ist in Anbetracht des Alters der Befragten ein zu erwartendes Ergebnis – STIKO und SIKO sprachen erst im Jahr 2018 auch für Jungen eine Empfehlung für die HPV-Impfung aus [14].
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Mehr Hebammenschülerinnen als Medizinstudierenden der aktuellen Studie wiesen bei Impfindikationen wie MMR oder Pertussis einen unzureichenden Impfstatus auf und bewerteten Impfungen häufiger als nicht notwendig/gefährlich. Dies ist besonders problematisch aufgrund des Kontakts zu und der Beratung der werdenden Mütter und Neugeborenen. Diese vulnerablen Gruppen können durch eine rechtzeitige Impfung vor schweren, irreparablen Schäden im Falle einer Infektion bewahrt werden. Daher ist eine impfpositive Beratung für und durch die betreuenden Ärzt:innen und Hebammen gerade bei den für Feten oder Neonaten besonders folgenschweren impfpräventablen Erkrankungen wie Pertussis, Poliomyelitis, Masern oder Röteln unerlässlich.
In nachfolgenden Studien zum Impfstatus und Impfverhalten der hier untersuchten Kohorten sollten ausbildungs- und geschlechterspezifische Unterschiede weiterhin betrachtet werden und die Ergebnisse in die Konzeption zielgruppengenauer Impfkampagnen integriert werden. Mögliche Wege zur Verbesserung der unzureichenden Impfquoten für beide Kohorten könnten bereits während Ausbildung und Studium die folgenden verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen sein:
adressatenspezifische Impfkampagnen und -Lehre: Aufklärung der Studierenden und Auszubildenden über Erkrankungs- und Impfrisiken sowie über langfristige Folgeerkrankungen, Erläuterung des Prinzips des Gemeinschaftsschutzes,
Erfahrungsberichte verbreiten und in die Lehre integrieren, beispielsweise als Lehrende/Ausbildende von eigenen Impfungen berichten („mit gutem Beispiel vorangehen“),
strukturierte Impfpasskontrollen; Erinnerungssysteme über Hausärzt:innen oder den Betriebsärztlichen Dienst,
flexible Impfmöglichkeit an den Ausbildungsorten: z. B. späte Impfsprechstundentermine, mobile Impfteams.
Ziel solcher Interventionen sollte der für die Studierenden und Auszubildenden bestmögliche Eigenschutz und Schutz der Patient:innen (inklusive besonders vulnerablen Gruppen wie Schwangeren und Neonaten) vor impfpräventablen Krankheiten sein.
Die Datengewinnung für die vorliegende Arbeit erfolgte vor Beginn der Coronapandemie, im Zuge derer das Thema Impfungen große mediale Aufmerksamkeit bekam. Für die vorliegende Arbeit wurden bewusst Daten genutzt, die vor 2020 erhoben wurden – sie können so als interessanter Vergleichswert für kommende Untersuchungen dienen, die nach mehreren SARS-CoV-2-Wellen („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) erhoben werden können. Erste deutschsprachige Untersuchungen von Hennes und Kuhlmann [15] belegen, dass Medizinstudierende SARS-CoV-2-Impfungen in großer Mehrheit positiv gegenüberstehen und die Impfraten dementsprechend hoch seien [7]. Gerade im deutschen Gesundheitswesen gab es mit Einführung einer temporären Impfpflicht im Jahr 2022 jedoch auch emotionale Debatten um Impfungen mit vehementen Befürworter:innen und ablehnenden Positionen. Welche Implikationen dies für das generelle Impfverhalten im Gesundheitswesen haben wird, sollte Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.
Offenheit, Informations- und Diskussionsangebote sind in Zeiten von zunehmender Impfskepsis und -zögern gesamtgesellschaftlich sehr wichtig und sollten gerade im Studium und in der Ausbildung von zukünftigem medizinischem Personal mehr im Fokus liegen [6].
Fazit für die Praxis
Sowohl Hebammenschüler:innen als auch Medizinstudierende sind z. T. ungenügend geimpft.
Mehr Hebammenschülerinnen haben einen unzureichenden Impfstatus und bewerten Impfungen als „nicht notwendig/gefährlich“, was aufgrund des Kontakts und der Beratung werdender Mütter und Neugeborenen besonders problematisch ist.
Das Wissen und Einstellungen bezüglich Impfungen sollten kontinuierlich in der Ausbildung, Studium und Weiterbildung der Gesundheitsberufe thematisiert werden.
Mehr niedrigschwellige Impfangebote sollten an den Ausbildungsstätten geschaffen werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
L.L. Kramer, K. Voigt, A. Bergmann, E. Balogh, N.K. Faubl, B. Birkás und H. Riemenschneider geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Das zustimmende Votum der zuständigen Ethikkommission an der TU Dresden (Aktenzeichen EK 15012014) liegt vor. Von allen beteiligten Patient/-innen liegt eine Einverständniserklärung vor.
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