Battle of Experts: Sport vs. Spritze bei Adipositas und Typ-2-Diabetes

Im Battle of Experts traten zwei Experten auf dem Diabeteskongress gegeneinander an: Die eine vertrat die Auffassung „Sport statt Spritze“ bei Adipositas und Typ-2-Diabetes, der andere forderte „Spritze statt Sport!“ Am Ende waren sie sich aber einig: Die Kombination aus beidem erzielt die besten Ergebnisse. Für Prof. Dr. Dr. Christine Joisten von der Deutschen Sporthochschule Köln ist unstrittig, dass Sport und Bewegung Teil der Basismaßnahmen für die Therapie von Adipositas und/oder Diabetes sind. Durch Bewegung könne bei Adipositas der Body-Mass-Index positiv beeinflusst werden, ebenso wie die Körperkomposition, die körperliche Fitness, das Essverhalten, die kardiometabolische Gesundheit sowie die Lebensqualität. „Sport und Bewegung sind etwas omnipotentes, weil wir in die ganzen Systeme eingreifen“, so die Expertin. Körperliche Aktivität sei ein kurzer und vor allem inflammatorischer Reiz. Dabei gebe es sowohl akute als auch chronische Effekte auf die Organsysteme. „Auch das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied zur Spritze“, betonte Joisten, die sich in ihrem „Battle of Experts“-Vortrag für das Medikament Sport aussprach. Einstieg in regelmäßige Bewegung erleichtern Jeder Schritt zählt – seit 2022 ist das die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Jede sitzende Tätigkeit sollte man ab und zu unterbrechen. „Etwas körperliche Aktivität ist besser als keine!“, so die Referentin. Viele Patientinnen und Patienten hätten aber Angst vor dem Thema „Sport“ und gerade Menschen mit Adipositas würden häufig im Rahmen des Sportunterrichts stigmatisiert. Es gelte daher, Bewegung richtig zu vermitteln. Als körperliche Aktivität definiert sei dabei schon „Jede Form von Energieverbrauch, die durch Muskeltätigkeit erzielt wird.“ Eine Motivation für Patientinnen und Patienten: Bei jedem Neu- oder Wiedereinstieg in Sport oder Bewegung sei der höchste Zuwachs an Fitness und damit auch an Gesundheit gerade zu Beginn am höchsten. „Das ist spürbar und eine Körperwahrnehmung, die die Spritze so erstmal nicht hat“, sagte Joisten. Wichtig sei, im Arzt-Patientengespräch zu betonen, dass Alltagsaktivitäten durch regelmäßige Bewegung leichter fallen. Das Credo 10.000 Schritte am Tag gelte nur noch bedingt, erläuterte die Referentin weiter. „Wenn man über 60 ist, reichen 6.000 bis 8.000 Schritte am Tag, wenn man unter 60 ist, sollte man 8.000 bis 10.000 Schritte am Tag machen.“ Eine Metaanalyse mit 17 Kohortenstudien zeige zudem, dass 500 Schritte mehr pro Tag die Herzkreislauf-Sterblichkeit um 7 Prozent senken. Täglich 1000 Schritte mehr reduzieren die Gesamtmortalität um 15 Prozent [1]. Empfehlung der Redaktion DDG 2024 Diabetes-Kongress 2024 8. - 11. Mai 2024 | Berlin Sport oder Spritze bei Adipositas und Diabetes mellitus? Auf dem Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) lieferten Fachleute im „Battle of Experts“ Argumente für ihre jeweilige Position. Thematisiert wurden außerdem der Notfall Erstmanifestation von Typ-1-Diabetes bei Kindern und der Einsatz von Diabetestechnologien. Die komplette Berichterstattung lesen Sie in unserem Kongress-Dossier. Joisten gab aber am Ende zu: Wenn es um die reine Gewichtsabnahme geht, spiele Sport eher in der Regionalliga. In Bezug auf die körperliche und mentale Gesundheit bewege man sich damit aber schon in der Bundesliga. Und im Team mit der Spritze erreiche man die Championsleague. Im Direktvergleich gewinnt die Spritze Dass Bewegung Menschen mit Adipositas und/oder Typ-2-Diabetes Vorteile bringt, bestritt der Kontrahent Prof. Dr. Matthias Blüher vom Universitätsklinikum Leipzig, der in seinem Vortrag für die „Spritze“ plädierte, nicht. Aber: Im Direktvergleich kann die „Spritze“, in diesem Fall Liraglutid, das Gewicht adipöser Menschen ohne Diabetes besser reduzieren als Sport. In der entsprechenden Studie waren die Teilnehmenden in vier Gruppen randomisiert worden: Liraglutid, ein Sportprogramm, eine Kombination aus beidem oder Placebo [2]. Alle Strategien wurden über ein Jahr lang durchgeführt. „Die Spritze gewinnt“, so Blüher, aber: Die Kombination aus beidem erwies sich als noch effektiver. Auch in Bezug auf die HbA1c-Senkung lag Liraglutid vorne. Ein aktuelles Beispiel für die gewichtsreduzierende Wirkung von Semaglutid sind die Ergebnisse der SELECT-Studie, in die übergewichtige Personen mit kardiovaskulärer Vorerkrankung aber ohne Diabetes eingeschlossen waren [3]. Der GLP-1-Rezeptor-Agonist erwies sich einem Placebo in Bezug auf kardiovaskuläre Endpunkte als überlegen. Die „Spritze“ könne darüber hinaus im Vergleich zu Placebo den Ausbruch des Typ-2-Diabetes verzögern, so Blüher. Daten zu Effektstärken gewichtsreduzierender Therapien legen nahe, dass mit Sport und Ernährung eine Gewichtsreduktion von 3-5 Prozent erzielt werden kann [4]. „Ältere“ Medikamente seien diesbezüglich effektiver und mit neuen Substanzen wie Semaglutid oder Tirzepatid könne man zukünftig für einen der Zielparameter in der Therapie des Typ-2-Diabetes noch mehr erreichen, betonte Blüher. Sein Fazit für die Praxis: Die Spritze ist effektiver als Sport bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, zumindest in Bezug auf die Therapieziele Blutzuckereinstellung und Gewichtsreduktion. Aber: „Es gibt Daten, die zeigen, es wird noch besser, wenn man das Ganze kombiniert.“ basierend auf: Session: „Battle of Experts – Sport vs. Spritze und Ernährung vs. Pille“. 58. Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Berlin, 8.-11.5.2024

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