Die meisten Patienten, die wegen eines muskelinvasiven Blasenkarzinoms für eine Radiochemotherapie infrage kommen, sind in der Bildgebung nodal-negativ. Für die Subgruppe mit klinisch detektierten regionalen Lymphknotenmetastasen gibt es kaum Daten, da klinischer LK-Befall in den meisten Studien nicht als einzelner Prognosefaktor untersucht wurde. Eine aktuelle britische Analyse bestätigt, dass auch in diesem Kollektiv die Radio(chemo)therapie eine äquieffektive und sehr sinnvolle Alternative zur Zystektomie ist [
5].
163 Patienten hatten eine kurativ intendierte Therapie erhalten, davon 76 eine Zystektomie und 87 eine Radiotherapie; die 2‑Jahres-Überlebensrate betrug in diesem Kollektiv 56 % (die 5‑Jahres-Überlebensrate wird im Text der Arbeit nicht angegeben, betrug nach den Überlebenskurven aber etwa 25 %). Bei den 124 Patienten mit palliativer Therapie betrug die 2‑Jahres-Überlebensrate 18 %; diese palliativen Patienten waren signifikant älter (im Median 73,5 vs. 69 Jahre) und hatten höhere T‑ und N‑Kategorien und einen schlechteren Allgemeinzustand als die kurativen Patienten.
Bei den kurativ behandelten Patienten zeigte sich kein Unterschied zwischen Radiotherapie und Zystektomie, weder im Gesamtüberleben (p = 0,5) noch im progressionsfreien Überleben (p = 0,07; die absoluten Zahlen waren für die Radiotherapie günstiger). Das galt sowohl bei Op. oder RT als Monotherapie als auch bei Kombination mit Chemotherapie; Patienten, die eine Chemotherapie erhalten hatten, zeigten etwas längere Überlebenszeiten, aber der Effekt war nicht signifikant. Bei den mit kurativer Intention bestrahlten Patienten war in 59 Fällen nur die Blase bestrahlt worden und in 27 Fällen auch die regionalen Lymphknoten; die zusätzliche LK-Bestrahlung war mit einem tendenziell schlechteren Überleben (aber nicht signifikant) verbunden. In multivariater Analyse war bei den kurativ behandelten Patienten ein höheres klinisches N‑Stadium (cN2/3 vs. cN1) ein signifikanter Risikofaktor für ein schlechteres Gesamtüberleben (HR = 1,72; p = 0,007) und progressionsfreies Überleben (HR = 1,82; p = 0,007); Alter, Allgemeinzustand und T‑Kategorie waren nicht signifikant.
Kommentar
Diese retrospektive Studie bestätigt, was vermutet werden konnte, aber so eindeutig bisher nicht belegt war: Auch bei nodal-positiven Patienten sollte man eine Radiochemotherapie als Option anbieten und empfehlen.
Diese Studie bietet die beste Evidenz für dieses eher seltene Patientenkollektiv, aber sie hat wie alle retrospektiven Analysen einige Schwächen:
1.
Ein relativ hoher Anteil von Patienten (immerhin 43 %) erhielt trotz der noch lokoregional begrenzten Erkrankung eine palliative Therapie, und das war niemals eine Zystektomie. Dieser palliative Anteil erscheint für deutsche Verhältnisse sehr hoch, und die Selektionskriterien sind unklar. Operateure könnten das als Ausdruck eines gewissen therapeutischen Nihilismus in einem maximal belasteten Gesundheitssystem interpretieren. Vielleicht sind unsere britischen Kollegen aber einfach auch realitätsbewusster und entscheiden sich bei schlechter Prognose eher für eine schonende Therapie im Interesse der Patienten.
2.
Für die in kurativer Intention behandelten nodal-positiven Patienten wurden akzeptable und im internationalen Vergleich sehr gute Langzeitüberlebensraten erreicht. Das bestätigt, dass eine solche Therapie bei entsprechend selektionierten Patienten sinnvoll ist.
3.
Der wichtigste prognostische Faktor war das Ausmaß des Lymphknotenbefalls. Das sollte man bei Therapieentscheidungen berücksichtigen.
4.
Dass die Bestrahlung nur der Blase mit einem besseren Outcome verbunden war als die zusätzliche Bestrahlung der Lymphknoten, erscheint diskrepant. Wenn man allerdings unterstellt, dass ein makroskopischer Tumor immer behandelt (bestrahlt) wurde, ist das durchaus plausibel. Wenn eine Bestrahlung nur der Blase alle befallenen (direkt paravesikalen) Lymphknoten erfasst und die Erweiterung des Zielvolumens zur Mitbestrahlung der Lymphknoten als Ausdruck eines ausgedehnteren LK-Befalls anzusehen ist, wären die Ergebnisse gut erklärbar. Indirekt würde das aber auch bedeuten, dass eine prophylaktische Bestrahlung der nicht befallenen Lymphknoten vermutlich keinen relevanten Stellenwert hat.
Małgorzata Toroń, Antoni Wołoszyn, Kiel/Katowice
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