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Erschienen in: Rechtsmedizin 2/2022

07.03.2022 | Autopsie | Kasuistiken

Tod nach Einsatz eines Distanzelektroimpulsgerätes (TASER X2)

verfasst von: C. G. Birngruber, T. E. N. Ohlwärther, A. Weyrich, Prof. Dr. Dr. R. B. Dettmeyer

Erschienen in: Rechtsmedizin | Ausgabe 2/2022

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Zusammenfassung

Ein mit einer Handfeuerwaffe um sich schießender 63-jähriger Mann führte zu einem Polizeieinsatz in einem Wohnhaus. Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK) setzten ein Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) vom Typ TASER X2 ein. Nach Impulsabgabe und Fesselung in Bauchlage seien eine blaue Gesichtsfarbe und eine fehlende Atmung aufgefallen. Reanimationsbemühungen vor Ort verliefen primär erfolgreich (Tag 0). Eine am Tag 1 erfolgte klinisch-rechtsmedizinische Untersuchung des sedierten und beatmeten Patienten erbrachte pfeiltypische Einstichstellen an Brust und Oberbauch. Forensisch-toxikologische Untersuchungen einer Blutprobe ergaben keine Hinweise auf eine Beeinflussung durch Alkohol oder Betäubungsmittel. Im stationären Verlauf trat bei hypoxischem Hirnschaden keine Besserung des Gesundheitszustandes auf. Es erfolgte eine Therapiebegrenzung; am Tag 18 nach dem Vorfall verstarb der Mann. Bei der am Folgetag durchgeführten Obduktion und den nachfolgenden Untersuchungen zeigten sich u. a. vernarbte ehemalige Einstichstellen an Brust und Bauch des sehr adipösen Verstorbenen (BMI: 48,4 kg/m2) und ein Herzgewicht von 766 g mit Zeichen einer vorbestehenden Herzinsuffizienz. Unmittelbar todesursächlich war eine akute Bronchopneumonie, die sich während des stationären Aufenthaltes bei hypoxischem Hirnschaden, Bettlägerigkeit und Therapiebegrenzung ausgebildet hatte.
Der Einsatz des DEIG wurde als mitursächlich für das Auftreten des reanimationspflichtigen Zustandes angesehen. Ein den eingesetzten Beamten vorwerfbares Verschulden am Tod des Festzunehmenden wurde nicht angenommen. Der Todesfall wirft die Frage auf, ob der Einsatz von DEIG insbesondere gegen hochaggressive, intoxikierte, psychisch kranke oder kardial vorgeschädigte Personen ein erhöhtes Risiko für einen akuten Herz-Kreislauf-Stillstand bedeutet.
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Metadaten
Titel
Tod nach Einsatz eines Distanzelektroimpulsgerätes (TASER X2)
verfasst von
C. G. Birngruber
T. E. N. Ohlwärther
A. Weyrich
Prof. Dr. Dr. R. B. Dettmeyer
Publikationsdatum
07.03.2022
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Autopsie
Erschienen in
Rechtsmedizin / Ausgabe 2/2022
Print ISSN: 0937-9819
Elektronische ISSN: 1434-5196
DOI
https://doi.org/10.1007/s00194-022-00569-x

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