Die synoviale Chondromatose (sCM) ist eine Metaplasie der Synovialis mit erheblicher intraartikulärer Extrusion von Knorpelzellkörpern. Klassischerweise breitet sich die sCM langsam progredient aus und kann neben intermittierenden, lokalen Schmerzen zu Nervenkompression oder mechanischen Einklemmungen führen. Meist tritt die sCM idiopathisch auf. Diskutiert wird daneben jedoch auch das Auftreten sekundärer Formen wie der posttraumatischen sCM.
Fall
Vorgestellt wird ein Patient mit posttraumatischer sCM nach suprakondylärer Humerusfraktur mit zunehmender, schmerzhafter Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks. Die Bildgebung bestätigte die Diagnose einer „ausgeprägten sCM mit begleitender Synovialitis und degenerativen Veränderungen“. Durch die arthroskopische Entfernung der freien Gelenkkörper und die Synovialektomie sowie die Arthrolyse konnten die Funktionalität des Ellenbogengelenks verbessert und die Schmerzen reduziert werden.
Schlussfolgerung
Die posttraumatische sCM nach suprakondylärer Humerusfraktur ist eine sehr seltene Ätiologie für eine zunehmende, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks. Die eindeutige Abgrenzung zu einer gewöhnlichen posttraumatischen Arthrose auf der einen, und einer malignen sarkomatösen Neoplasie auf der anderen Seite ist entscheidend für die Versorgungstrategie und Wahl der operativen Technik. Die symptomatische sCM kann in den meisten Fällen erfolgreich arthroskopisch therapiert werden.
Hinweise
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Die synoviale Chondromatose (sCM) ist eine Metaplasie der Synovialis mit erheblicher, intraartikulärer Extrusion von Knorpelzellkörpern [6]. Meist tritt die sCM am Kniegelenk auf (in 50–65 % der Fälle; [3]). Die sCM des Ellenbogengelenks ist mit 20–25 % aller Fälle die zweithäufigste Lokalisation [3]. Die Inzidenz der sCM liegt bei ca. 1/100.000. Dabei sind Männer in etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Typischerweise tritt die sCM zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf [7]. Klassischerweise breitet sich die sCM langsam progredient aus und kann neben intermittierenden, lokalen Schmerzen zu Nervenkompression [2] oder mechanischen Einklemmungen führen [4]. Diese Symptome können eine operative Therapie indizieren, wobei die Empfehlungen zu Operationsverfahren und Radikalität variieren [1, 9].
Grundlegend kann zwischen einer primären und sekundären Form der sCM unterschieden werden [3]. Zu den sekundären Formen zählt die posttraumatische sCM. Diese Kausalität ist bis dato in der Literatur nur wenig untersucht. Sie ist in Therapie und Prognose jedoch klar von Bewegungseinschränkungen durch eine posttraumatische Arthrose mit oder ohne Vorliegen von freien, häufig ossären, Gelenkkörpern abzugrenzen.
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Der aktuelle Fall beschreibt eine posttraumatische sCM am Ellenbogen nach suprakondylärer Humerusfraktur als sehr seltene Ursache für eine zunehmende, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks.
Fallbericht
Anamnese
Ein 40-jähriger Patient stellte sich mit einer zunehmenden, schmerzhaften Bewegungseinschränkung des linksseitigen Ellenbogengelenks lange nach einer suprakondylären Humerusfraktur mit konservativer Gipsbehandlung vor. Die Funktionsbeeinträchtigung des Ellenbogens behinderte den Patienten bei seiner Arbeit als Schreiner zunehmend.
Befund und Diagnostik
In der klinischen Untersuchung zeigte sich das linke Ellenbogengelenk reizlos, ohne Hinweis auf eine lokale Infektion. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren intakt. Bei der Bewegungsprüfung zeigten sich Krepitationen und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung (Extension/Flexion: 0‑60-100°).
Der DASH-Wert (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand) betrug 47 Punkte, der Mayo-Elbow-Score 30 Punkte. Die Laborbefunde waren weitgehend unauffällig (C-reaktives Protein [CRP] von 1,5 mg/l).
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Im konventionellen Röntgenbild des linken Ellenbogens imponierten vielfältige, homogen strahlendichte Gelenkkörper (Abb. 1). In der Magnetresonanztomographie (MRT) konnten ebenfalls zahlreiche, nichtossifizierte, freie Gelenkkörper festgestellt werden (Abb. 2). Zudem fiel eine Verdickung der Gelenkkapsel und Knorpel-Knochen-Arrosionen im Bereich der Ulna/des Olekranon auf.
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Diagnose
In Zusammenschau der klinischen und radiologischen Befunde wurde die Diagnose „ausgeprägte sCM mit begleitender Synovialitis und degenerativen Veränderungen“ gestellt.
Therapie und Verlauf
Aufgrund der persistierenden Beschwerden durch die entzündlichen Vorgänge und durch die mechanische Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks wurde die Indikation zur Entfernung der freien Gelenkkörper mit Synovialektomie und einer Biopsieentnahme gestellt. Der Fall wurde in der Tumorkonferenz unseres Sarkomzentrums vorgestellt. Auch hier wurde die Verdachtsdiagnose sCM bestätigt. Nachdem mögliche maligne Differenzialdiagnosen äußerst unwahrscheinlich waren, konnte die initial arthroskopische Therapie initiiert werden.
Operation
Intraoperativ zeigten sich in der Arthroskopie multiple freie Gelenkkörper (GK) mit einer begleitenden Synovialitis (Abb. 3). Die freien GK wurden aufwendig mit der Fasszange entfernt. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass die multiplen GK nicht in die extrakapsulären Schichten gespült wurden. Es konnten ca. 50 knorpelige GK geborgen werden (Abb. 4). Zudem erfolgte eine weitreichende Synovialektomie und eine Arthrolyse. Die nachfolgende Histologie der intraoperativen Proben bestätigte die Diagnose der sCM; Anhalt für Malignität ergab sich weiterhin nicht.
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Postoperatives Procedere
Es folgte die frühfunktionelle physiotherapeutische Nachbehandlung bei vollem Bewegungsumfang. In den Verlaufskontrollen, 2 Wochen postoperativ und 3 Monate postoperativ, berichtete der Patient von einem erheblichen Rückgang der Beschwerden. Eine Neuropathie des N. ulnaris wurde zu keiner Zeit festgestellt. Zwei Wochen postoperativ wies der Patient eine Beweglichkeit des rechten Ellenbogengelenks in Extension/Flexion von 0‑15-120° bei rückläufigen Schmerzen auf. Drei Monate postoperativ gab der Patient eine Schmerzfreiheit bei einer Beweglichkeit von Extension/Flexion 0‑10-135° an.
Die Bildgebung belegte die vollständige Entfernung der freien Gelenkkörper (Abb. 5).
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Der DASH-Wert betrug 3 Monate postoperativ 8 Punkte. Der Mayo-Elbow-Score betrug 80 Punkte.
Diskussion
Die operative Therapie ist die Therapie der Wahl der symptomatischen sCM [6]. Die Entfernung der freien Gelenkkörper sowie eine (vollständige) Synovialektomie zeigen gute Ergebnisse bei geringer Rezidivrate [9]. Letztere ist insbesondere von der Radikalität der Synovektomie abhängig [9, 10].
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In der Notwendigkeit der möglichst vollständigen Synovektomie besteht der wesentliche Unterschied in der operativen Strategie zur Behandlung der posttraumatischen Gelenksteife.
Die im aktuellen Fall gewählte, arthroskopische Technik, erlaubt sowohl die Entfernung der Fremdkörper als auch die Synovektomie in einer minimal-invasiven Technik. Alternativ kann über ein offenes, operatives Verfahren diskutiert werden. Gerade größere und extrakapsuläre Tumorbefunde und die Möglichkeiten der Neurolyse komprimierter, ortsnaher Nerven können ein offenes Vorgehen favorisieren [2].
Im Fall einer bildmorphologisch unklaren Dignität sind die Grundsätze der Tumororthopädie einzuhalten. Dann ist eine Inzisionsbiopsie voranzustellen [5]. Sollte die festgestellte Dignität eine Resektion in sano erforderlich machen, ist ein arthroskopisches Vorgehen obsolet. Eine Vorstellung des Kasus in einem Sarkomzentrum ist daher ratsam. Eine sekundäre maligne Entartung in ein synoviales Chondrosarkom ist theoretisch möglich, jedoch unwahrscheinlich [6].
Nach Ausschluss dieser relativen und absoluten Kontrakriterien ist die arthroskopische Therapie möglich [4, 8]. Die Vorteile des arthroskopischen Verfahrens [1] bei einer Synovialektomie sind nachfolgend abgebildet.
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Vorteile des arthroskopischen Verfahrens gegenüber einer offenen Synovialektomie:
Gründlichere Beurteilung des Gelenks und der Synovialis
Besserer Zugang für die chirurgische Synovialektomie
Verringerte postoperative Morbidität
Bei dem o. g. Patienten erfolgte aus diesen Überlegungen heraus ein arthroskopisches Vorgehen mit radikaler Synovialektomie.
Fazit für die Praxis
Die Präsenz von multiplen freien Gelenkkörpern und persistierender Synovialitis nach Trauma können auf die seltene posttraumatische Chondromatose (sCM) hinweisen.
Die arthroskopische Operation ist bei der Therapie einer sCM ein etabliertes Verfahren, welches auch bei einer seltenen, posttraumatischen Genese eine Wiederherstellung der Gelenkfunktion des Ellenbogengelenks erreichen kann.
Anders als bei gewöhnlicher posttraumatischer Arthropathie ist bei der sCM die vollständige Synovialektomie wesentlich zur Senkung der Rezidivgefahr.
Vor arthroskopischer Therapie ist die sichere Einordnung der Dignität erforderlich. Bei zweifelhafter Diagnose ist die Inzisionsbiopsie nach tumorchirurgischen Prinzipien notwendig.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. List erhält Honorare von Arthrex und Stryker. T. Spannagel und P. Plumhoff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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