Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Anamnese
Die Erstvorstellung eines 33-jährigen tansanischen Patienten in unserer Bindehaut- und Hornhautsprechstunde erfolgte aufgrund einer subjektiv als sehr störend empfundenen einseitigen Bindehautrötung bei ebenso zunehmendem Fremdkörpergefühl ohne wesentlichen Juckreiz am rechten Auge. Die Beschwerden bestünden bereits seit mehreren Jahren. Etliche Therapieversuche mit verschiedenen Ophthalmika (Tränenersatzmittel sowie steroidhaltige Augentropfen) hatten bisher keine Linderung der Beschwerden erbracht. Zudem berichtete der Patient von einer Bindehautveränderung am rechten Auge, die seit einigen Monaten bestehe. Augenerkrankungen, operative Eingriffe oder Traumata wurden verneint. Die Allgemein- und Familienanamnese war leer.
Klinischer Befund und Diagnostik
Die Prüfung der Sehschärfe mit eigener Brille zeigte beidseits eine Sehschärfe von 1,0 bei normwertigem Augeninnendruck. Bei der Untersuchung an der Spaltlampe imponierte ein sehr eindrücklicher Befund im Bereich des unteren Limbus des rechten Auges (Abb. 1: Spaltlampenfoto). Neben der vom Patienten als störend empfundenen Bindehautinjektion zeigte sich eine nasal-inferior gelegene, prominente, fleischige, nicht verschiebliche Bindehautläsion mit einer Größe von ca. 2 × 2 mm mit wenig versprengtem Pigment und prominenten, den Limbus überschreitenden, zuführenden Gefäßen. Am temporal-inferioren Limbus zeigte sich ein hyperämes Gefäßkonvolut. Zudem fand sich eine gräuliche, gelatinöse Trübung im Bereich des inferioren Limbus von 4.00 bis 8.00 Uhr. Die tarsale Bindehaut war injiziert mit mäßiger Papillenbildung, einer zarten subepithelialen Fibrose sowie vereinzelten Kalkinfarkten bei milder Meibom-Drüsen-Dysfunktion (Abb. 2: Spaltlampenfoto). Der übrige Hornhaut- und Vorderaugenabschnittsbefund rechts war unauffällig. Am linken Auge zeigten sich im Bereich des inferioren Limbus ebenfalls eine etwas prominente gelatinöse Trübung mit feinen, oberflächlichen Neovaskularisationen sowie temporal-inferior ein erhabener vaskularisierter Knoten mit 5 bis 6 kalkigen Einschlüssen.
×
×
Anzeige
Diagnosefindung
Der klinische Befund ließ an eine chronische allergische Konjunktivitis mit limbaler Beteiligung denken. Allerdings war die beklagte Klinik atypisch (kein wesentlicher Juckreiz, keine Atopie in der Anamnese). Zudem ließ der fokal-limbale Befund im weitesten Sinne an eine konjunktivale Neoplasie denken. Daher erfolgte die Exzision der Bindehautläsion mit histopathologischer Aufarbeitung des exzidierten Gewebes.
Diagnosestellung
Die exzidierte Bindehaut zeigte eine regelrechte epitheliale Bedeckung mit mehrschichtigem nicht verhornendem Plattenepithel mit Becherzellbesatz. Die epitheliale Basalmembran war intakt und unauffällig. Im vaskularisierten Bindehautstroma fanden sich unzählige eosinophile Granulozyten, vereinbar mit einer allergischen Diathese/Reaktion (Abb. 3).
×
In Zusammenschau der erhobenen Befunde handelte es sich in dem hier dargestellten Fall um die Erwachsenenform einer limbalen Keratoconjunctivitis vernalis.
Wie lautet Ihre Diagnose?
Verlauf
Postoperativ wurde eine lokale Therapie mit einer steroidhaltigen und antibiotischen Augensalbe 4‑mal täglich für 1 Woche angeordnet. Im Anschluss wurden Dexamethason-haltige Augentropfen 4‑mal täglich ausschleichend verschrieben. Als Erhaltungstherapie kamen Olopatadin-Augentropfen (0,1 %) 2‑mal täglich beidseits zum Einsatz. Auf eine Dauertherapie mit Ciclosporin A wurde bei jetzt deutlich gebesserter Symptomatik verzichtet.
Anzeige
Diskussion
Der Begriff „allergische Konjunktivitis“ subsummiert eine Gruppe von Krankheitsentitäten, die durch den Kontakt mit Umweltallergenen ausgelöst werden können. Als Vertreter dieser Gruppe gilt es, neben der saisonalen und perennialen allergischen Konjunktivitis auch die Keratoconjunctivitis vernalis sowie die atopische Keratokonjunktivitis zu erwähnen [5].
Bei der Keratoconjunctivitis vernalis handelt es sich um ein meist beidseits auftretendes okuläres Krankheitsbild, von welchem häufig männliche Kinder und Jugendliche in warmen, trockenen Klimazonen betroffen sind. Vor kurzem wurde die sog. adulte Form der Keratoconjunctivitis vernalis als eigene Krankheitsentität erstbeschrieben. Die Keratoconjunctivitis vernalis verläuft oft schubweise mit einem Rückgang der Symptome und der Entzündungsmerkmale in den Wintermonaten [2]. Die klinische Ausprägung betrifft vorwiegend die tarsale oder limbale Bindehaut. Kennzeichnend für die Keratoconjunctivitis vernalis sind sowohl die im Bereich der oberen tarsalen Bindehaut gelegenen Riesenpapillen als auch die limbal auftretenden gelatinösen Infiltrate und sog. Trantas-Dots [7]. Letztere entstehen durch die Anhäufung eosinophiler und neutrophiler Granulozyten, die sich als weißlich-gelbliche Erhabenheit, meist limbusnah, präsentieren [10]. Im Rahmen der Erkrankung kann es in seltenen Fällen zudem zur Entstehung einer subtarsalen Bindehautfibrose oder zur Symblepharonbildung kommen [2].
Die adulte Form der Keratoconjunctivitis vernalis gliedert sich je nach klinischem Auftreten in 2 Unterformen. Die früh einsetzende Form überdauert die Pubertät und flammt im Verlauf des Erwachsenenalters erneut auf, wohingegen die spät einsetzende Variante generell erst im Erwachsenenalter auftritt. Insgesamt ähnelt sich die klinische Präsentation der Symptome im Kindes- und Erwachsenenalter, allerdings kommt es im Erwachsenenalter aufgrund der häufig ausgeprägteren Entzündungsreaktion mit narbigen Veränderungen und Limbusstammzellinsuffizienz häufiger zu Visusproblemen [8].
Die atopische Keratokonjunktivitis präsentiert sich klinisch häufig ähnlich [9]. Anders als bei der Keratoconjunctivitis vernalis zeigen sich hier aber v. a. im Bereich der Periorbita klinische Zeichen einer ekzematösen Dermatitis. Die tarsalen Lidränder sind oft verdickt, verkrustet oder weisen schuppige Veränderungen auf [3]. Im Rahmen einer Exazerbation können aus den tarsal gelegenen Papillen Riesenpapillen entstehen, wodurch es zu subtarsalen Fibrosierungen kommen kann [9].
In der Entstehung der Keratoconjunctivitis vernalis spielen sowohl Immunglobulin E(IgE)-vermittelte als auch nicht IgE-vermittelte Pathomechanismen eine entscheidende Rolle [11].
Eine okuläre allergische Reaktion kann sich klinisch sehr eindrücklich und fulminant präsentieren. Aufgrund der hohen Dichte an Mastzellen im Bereich des Augenlides und in der okulären Bindehaut werden häufig Hypersensibilitätsreaktionen ausgelöst [4]. CD4-positive TH2‑Lymphozyten nehmen eine Schlüsselposition in der Pathogenese von chronischen okulären Allergien ein. Diese sind v. a. im Zusammenspiel mit Mastzellen wesentlich an der Aufrechterhaltung einer chronischen, allergisch-inflammatorischen Reaktion der Augenoberfläche beteiligt [1].
Die Therapie der Keratoconjunctivitis vernalis orientiert sich an einem Stufenschema nach Bonini et al. [2]. Wie bei anderen Formen der allergischen Manifestation hat die Allergenmeidung, sofern umsetzbar, höchste Priorität. Unterstützend können Tränenersatzmittel zum Einsatz kommen. Um eine Symptomlinderung bei milder Krankheitsausprägung zu erreichen, können unter anderem topische Mastzellstabilisatoren oder Antihistaminika verabreicht werden. Kortikosteroide hingegen sind geeignete Substanzen zur akuten Minderung der allergisch-inflammatorischen Reaktion, weshalb sie v. a. bei moderaten bis schweren Krankheitsfällen zum Einsatz kommen [6]. Langfristige Therapieoptionen bei schweren Krankheitsformen stellen Immunmodulatoren wie z. B. Ciclosporin A oder Tacrolimus dar.
Fazit
Bei der Keratoconjunctivitis vernalis handelt es sich um ein schubweise auftretendes Krankheitsbild mit einem Rückgang der Symptome und der Entzündungsmerkmale in den Wintermonaten. Insgesamt liegt der Häufigkeitsgipfel in warmen trockenen Klimazonen.
Anzeige
Diagnose: Keratoconjunctivitis vernalis
Der vorliegende Fall zeigt einerseits die Vielfalt der möglichen klinischen Erscheinungsformen auf und unterstreicht die Tatsache, dass nicht jede suspekte Bindehautläsion maligner Genese sein muss. Anderseits sollte man auch bei Erwachsenen mit entsprechenden Symptomen an die Keratoconjunctivitis vernalis denken. Bei klinisch uneindeutigem Befund bietet sich eine Probebiopsie an. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist zur Vorbeugung schwerwiegender Komplikationen unerlässlich.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
B.S. Brunner, E.M. Messmer, A. Ohlmann, S.G. Priglinger und S. Kassumeh geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Orbitale und periokuläre metastatische Tumoren galten früher als sehr selten. Aber mit der ständigen Aktualisierung von Medikamenten und Nachweismethoden für die Krebsbehandlung werden neue Chemotherapien und Strahlenbehandlungen eingesetzt. Die …
Metastasen bösartiger Erkrankungen sind die häufigsten Tumoren, die im Auge diagnostiziert werden. Sie treten bei ungefähr 5–10 % der Patienten mit soliden Tumoren im Verlauf der Erkrankung auf. Besonders häufig sind diese beim Mammakarzinom und …
Wird ein Glaukom chirurgisch behandelt, ist die anschließende Wundheilung von entscheidender Bedeutung. In diesem CME-Kurs lernen Sie, welche Pathomechanismen der Vernarbung zugrunde liegen, wie perioperativ therapiert und Operationsversagen frühzeitig erkannt werden kann.
Peri- sowie intraokuläre Metastasen sind insgesamt gesehen selten und meist Zeichen einer fortgeschrittenen primären Tumorerkrankung. Die Therapie ist daher zumeist palliativ und selten kurativ. Zudem ist die Therapiefindung sehr individuell. Die …
Update Augenheilkunde
Bestellen Sie unseren Fach-Newsletterund bleiben Sie gut informiert.